Dienstag, 13. August 2013

Mut gegen den Missbrauch einer Idee

Von Florian Burkhardt


Die Olympischen Spiele tragen mehr als jede andere sportliche Veranstaltung auf der Welt ein Ideal in sich, ein Ideal, das auf Völkerverständigung und freundschaftlichem Wettbewerb beruht. In der olympischen Charta heißt es: „The goal of Olympism is to place sport at the service of the harmonious development of humankind, with a view to promoting a peaceful society concerned with the preservation of human dignity.“ Diese Spiele nicht zu „politisieren“, wie es das Internationale Olympische Komitee wünscht, ist eigentlich unmöglich, weil allein diese Ideale schon zutiefst politisch sind.


Insofern widerspricht und widersprach es dem Ziel und Anspruch Olympischer Spiele, wenn diese von Diktatoren und Tyrannen instrumentalisiert werden. Es widersprach dem Ziel und dem Anspruch Olympias, als die Chinesen 2008 eine Propagandashow aus den Spielen machen konnten, in deren Schatten Meinungsfreiheit und die Rechte ethnischer Minderheiten mit Füßen getreten wurden. Es widersprach den Zielen und dem Anspruch Olympias als die Spiele 1980 in Moskau von den Sowjets zur Profilierung im Kalten Krieg verwendet werden konnte. Und es widersprach den Zielen und dem Anspruch Olympias als die Spiele 1936 in Berlin von den Nazis missbraucht wurden, um für ihr menschenverachtendes System in aller Welt zu werben, während gleichzeitig für 2 Wochen so getan wurde, als würden Juden in Deutschland nicht verfolgt.


Vielleicht sind die Spiele 1936 tatsächlich das beste Beispiel dafür, wie wir mit dem was uns im Winter in Sotschi erwartet umgehen müssen. Denn eine der stärksten und bekanntesten Szenen in der Geschichte der Olympischen Spiele geschah in Berlin. Als der afroamerikanische Leichtathlet Jesse Owens die Goldmedaille im Weitsprung gewann (Nachdem ihm der deutsche Olympionik Lutz Long einige Tipps gegeben hatte), wurde er von eben diesem umarmt und unter den Augen Hitlers und der Weltöffentlichkeit wurde aus den beiden Gewinnern des Wettbewerbs Freunde, ein Zeichen für das, was Olympia ausmacht.


Auch das wünsche ich mir für die Spiele in Sotschi. Ja, Russland verfolgt eine Politik, die alles mit Füßen tritt, wofür diese Spiele stehen. Sie ist menschenverachtend und antidemokratisch und doch wird sich nichts daran ändern, wenn der Westen die Spiele boykottiert. Aber westliche Athletinnen und Athleten können, ebenso wie Sportfunktionäre, ein Zeichen setzen. Sie können statt ihrer Landesfahnen die Regenbogenfahne tragen, sie können ihre Bi- oder Homosexualität offen ausleben und sie können Statements abgeben. Für mehr als zwei Wochen wird die Welt und ganz Russland ans Schwarze Meer blicken, was für eine Gelegenheit, um dem Regime mutig die Stirn zu bieten. Es ist selbstverständlich, dass die Politiker und Diplomaten nachziehen müssen, aber die Sportlerinnen und Sportler in Sotschi haben die Chance, echten Mut und echte Solidarität zu zeigen.


Deshalb würde ich mich auch dagegen aussprechen, die Olympischen Spiele nur in solchen Länder zu veranstalten, die als „demokratisch“ gelten. Zum einen ist „demokratisch“ ein dehnbarer und schwammiger Begriff und zum anderen sollte Olympia sich auch nicht als eine Demokraten-Veranstaltung begreifen. Die Spiele waren von Anfang an als Fest der Nationen gedacht, das der Völkerverständigung dient. Aber und auch das ist wichtig: Hinter Olympia steht eine Message, für die auch das IOC einzutreten hat. Lasst uns mit den Olympischen Spiele in Länder wie Russland oder China veranstalten. Aber lasst uns auch gleichzeitig Kritik üben, lasst uns für eine bessere Politik und ein besseres Miteinander werben. Bislang haben Diktaturen Olympia immer für sich selbst missbraucht, warum sollte Olympia den Spieß nicht umdrehen? Man sollte als IOC ganz klar sagen: „Ja, wir kommen in ein Land, dads nicht perfekt ist.“ Und dann zeigen, wie es besser geht. Das widerspricht vielleicht dem Geist des Kommerzes, der einer großen Sportveranstaltung innewohnt. Aber es widerspricht ganz und gar nicht dem Geist Olympias.