Dienstag, 10. Dezember 2013

Auf dem Weg zu einem gequälten Ja

Von Robin Voss

Nein, diese Überschrift habe ich mir nicht ausgedacht. So titelte am vergangenen Freitag (6.12.2013) die Südwest Presse auf Seite 3 ihren Bericht zum Mitgliederentscheid der SPD. Im letzten Absatz wird auch ein 21-jähriger Vorsitzender eines Juso-Kreisverbandes zitiert. Nämlich meine Wenigkeit.

„Seine Zustimmung gibt Voss vor allem wegen des arbeitspolitischen Teils. […] „Mir sind lieber vier Jahre der kleinen Schritte, als vier Jahre Stillstand in der Innenpolitik.““ Eine zugegebenermaßen sehr pathetische Formulierung.

Die große Koalition war nie, ist nicht und wird nie meine Wunschkoalition sein. Ich war am Wahltag dagegen, im Prinzip bin ich es immer noch. Und ja, der Koalitionsvertrag ist nicht der, den Peer Steinbrück mit Katrin Göring-Eckardt ausgehandelt hätte. Der Koalitionsvertrag mit der CDU ist auch kein großer Wurf. Er ist oft zu wage, es steht zu viel Prosa darin und manche Teile sind einfach nicht progressiv genug (oder auch nur ansatzweise progressiv): Die Energiewende wird ausgebremst, einen Schwenk in der Europapolitik gibt es auch nicht, die Gesundheitspolitik ist so lala (während die einseitige Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages einen Schritt zur Aufkündigung der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern entspricht), die Flüchtlingspolitik ist ziemlicher Mist und die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften kommt auch nicht („Fun fact“: Das Wort „Homosexuell“ kommt kein einziges Mal im Koalitionsvertrag vor – autsch!).

Was in der Südwest Presse von meinem Statement nicht abgedruckt wurde: Es gibt viele kleine und auch große Dinge, die ohne uns nicht gekommen wären. Und genau diese Dinge will ich den Menschen nicht vorenthalten.

Die Formulierung „Der Koalitionsvertrag trägt eine sozialdemokratische Handschrift“ geht mir ehrlich gesagt zu weit, außerdem ist sie inzwischen ordentlich ausgelutscht und zu oft und zu Recht persifliert worden. Die Merkel-CDU zementiert den Status quo, setzt keine Impulse, weder konservative noch progressive, sie tut wenig. Ohne die SPD wäre gar nichts dabei rumgekommen.

Ausschlaggebend für mich waren im Prinzip schlussendlich 3 Dinge:

1.       Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn. Viele stoßen sich daran, dass er zu spät kommt. Richtig. Aber wenn wir den Koalitionsvertrag ablehnen, dann kommt er wohl so schnell gar nicht. Außerdem ist die Regelung, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften ihn gemeinsam aushandeln, in meinen Augen tatsächlich besser, als wenn der Bundestag ihn aushandeln würde. So wird der Betrag abseits des tages- und parteipolitischen Kuhhandels austariert („Gesteh mir dieses und jenes Gesetz zu und wir erhöhen nicht“ usw.).

2.       Die Regulierung der Leiharbeit. Maximale Überlassungsgrenze 18 Monate. Nach 9 Monaten muss der Leiharbeiter mindestens so viel verdienen, wie sein festangestellter Kollege. Auch mir ist schleierhaft, warum das erst nach 9 Monaten so sein soll und nicht ab der ersten Sekunde, aber ohne uns käme auch hier nichts.

3.       Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffes und mehr Geld für die Pflege. Der Pflegesatz soll um 0,5% erhöht werden, wobei 0,1% für einen Fonds verwendet werden um weitere Erhöhungen abzumildern. Das klingt erst einmal negativ (schon wieder mehr Geld zahlen), aber gerade aus der Sicht von jungen Menschen ist das ein richtiger Schritt. Denn auch wir werden es erleben, dass unsere Großeltern und Eltern eines Tages pflegebedürftig werden. Und dann werden auch wir eine gute Pflegepolitik benötigen, die auch Geld bereitstellt. Und die Pflege ist die Achillessehne der deutschen Gesundheitspolitik, massivst unterfinanziert und überlastet.

Dies war wahrscheinlich auch nur das Mitgliedervotum möglich. Sigmar hat den Verhandlungsstandpunkt der SPD gestärkt, in dem er die Zustimmung auf die weniger kompromissbereite Basis verschoben hat. Auch das habe ich der SWP gesagt. Deswegen ist Sigmar zu danken.

Ich habe mit Ja gestimmt. Zwar mit Bauchweh, aber mit der Hoffnung, eine Verbesserung für viele Millionen Menschen in der Bundesrepublik zu erreichen. Und ich bin selbstbewusst, wenn ich sage, dass die Menschen das honorieren werden.


Der moralische Anspruch an die SPD war immer ein höherer als der, an die andere große Volkspartei. Von uns erwartet man tendenziell mehr: Mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Solidarität, mehr Politik für den so viel zitierten kleinen Mann und die so viel zitierte kleine Frau. Dem müssen wir jetzt gerecht werden. Ja zum Koalitionsvertrag.

Sonntag, 24. November 2013

Die überraschte Union. Oder: Warum eine grosse Koalition die CDU vor Herausforderungen stellt

Von Robin Voss

Lange hat sich der Rotstift Blog um eine Einschätzung zu den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU verwehrt. Jan Hambach hatte am 7.10. seine Einschätzungen zu den Koalitionsmöglichkeiten abgegeben. Aber eine Einschätzung zur GroKo haben wir/ich euch lange vorenthalten.
Lange zu Recht. Lange war nicht klar, wie die Standpunkte aussehen werden, lange war eine Einschätzung, über die Ausgangslage zum Mitgliederentscheid unklar.
Bis zum Bundesparteitag vergangenes Wochenende.
Die SPD-Basis wird einem Koalitionsvertrag mit der CDU nicht zustimmen. Nur unter einer Bedingung: Kernforderungen der SPD aus dem Wahlkampf werden umgesetzt. Und die CDU hat dies massivst unterschätzt.
Die CDU ging davon aus, dass ein Mitgliedervotum der SPD ein Klacks wird. Vielleicht hat das sogar Sigmar Gabriel gedacht. Oder – und das ist die wahrscheinlichere Variante – hat er das Mitgliedervotum heraufbeschwört um den Verhandlungsstandpunkt der SPD in den Koalitionsverhandlungen zu stärken. Der CDU war das nicht bewusst, bis die Bundesparteitagsdelegierten die SPD-Spitze in aberwitzigen Abstimmungen abgestraft haben. Die CDU ist ein Kanzlerwahlverein, ihr ist dieses Vorgehen nicht bekannt. Ihr war nicht bewusst, dass Sozialdemokraten an der Basis mit der CDU nichts anfangen können. Angela Merkel war im Wahlkampf, mit ihrer indirekten Aussprache für die grosse Koalition, mit der sie gute Erfahrungen gemacht haben muss - inhaltlich wie personell – nicht bewusst, dass die SPD-Basis diese Konstellation meidet wie der Teufel das Weihwasser. Was kommt dabei raus?
Die CDU lässt sich harte Standpunkte abringen. Frauenquote, Mindestlohn. Etc pp. Die Bildzeitung, in guter alter Fussballmarnier, zählt 10:2 für die SPD. Bei 14% Rückstand. Autsch.
Das bittere: Dem Sozialdemokraten aus Rangendingen, Rottenburg oder Münster interessiert das nicht. Ihn interessiert, was im 100 Tage-Programm stand.
Nach dem Bundesparteitag, mit besagten wahnwitzigen Wahlergebnissen, kriegt die CDU Torschusspanik. Gröhe und Konsorten sind davon ausgegangen, dass sie ihre Inhalte zum Nulltarif umgesetzt bekommen. Ätschbätsch. Dem ist nicht so. Aber auch die SPD kriegt ihre Standpunkte nicht zu 100% umgesetzt. Und genau das verärgert die Genossen aus Rangendingen, Rottenburg oder Münster, die Genossen an der Basis. SPD-Mitglieder lesen den Koalitionsvertrag nicht mit dem Gedanken „Jetzt schau ich mal was alles drinsteht“ sondern mit den Worten „Jetzt schauen wir mal was alles drinstehen könnte, wenn Peer Kanzler geworden wäre“. Und das killt die Koalitionsverhandlungen.
Bisher bin ich unzufrieden. Als aufgeschlossener Mensch warte ich den Koalitionsvertrag ab und werde erst mein endgültiges Urteil fällen, wenn der Koalitionsvertrag vorliegt. Aber ich gehe davon aus, dass ich dagegen stimmen werde. Ein Zitat von Regine Hildebrandt („Mit den Arschlöchern koaliere ich nicht.“) liegt mir fern, aber eine Koalition mit dem erklärten politischen Gegner lehne ich zunächst ab, da ich die Unterschiede als zu groß einschätze. Die CDU von Angela Merkel verkörpert für mich den politischen Stillstand der Bundesrepublik. Ich will weitergehen, ich will eine Wirtschaftspolitik, die Deutschland stärkt, aber nicht auf Kosten unserer europäischen Freunde. Ich will gerechte Löhne für meine Kollegen in der Fertigung. Ich will Gleichberechtigung meiner homosexuellen Freunde. Ich will die doppelte Staatsbürgerschaft für meine ausländischen Mitbürger. Ich will eine faire Rentenpolitik für die Älteren. Ich will eine gute Pflege für die Bedürftigen unserer Gesellschaft. Und ich will eine gute Gesundheitsverpflegung für alle Mitbewohner der Bundesrepublik. Kurz: Ich will ein progressives Deutschland.
Wenn die CDU dies meiner Partei in den Koalitionsverhandlungen gewährt stimme ich dem Koalitionsvertrag zu.
Wir hören voneinander im Dezember, dann werde ich euch mitteilen wie ich und die restliche SPD-Basis abgestimmt hat. Freut euch darauf.

Montag, 7. Oktober 2013

Die Koalitionsfrage


von Jan Sascha Hambach


Laut Umfragen will jeder Zweite die Große Koalition. Wir, die SPD sind uns unschlüssig. Viele Genossen lehnen sie ab, allerdings gibt es auch eine große Anzahl an Mitgliedern, die sie befürwortet, oder zumindestens nicht kategorisch ausschließen, auch wenn das in den Medien kaum Erwähnung findet. Dort ist nur zu lesen, dass einige aus der Führungsriege mit dieser Option liebäugeln.

Aber reden wir zuerst über die anderen möglichen Koalitionen und kommen dann zurück zur Großen Koalition. Die Möglichkeit der Neuwahl lasse ich außen vor, weil sie mir als die unrealistischste Variante erscheint und dem Land, der Demokratie und auch uns vermutlich mehr schaden, als nützen würde.
Ebenso ist eine Koalition mit CDU/CSU und den Linken nicht diskussionswürdig, weil sie unrealisierbar wäre.

Eine Minderheitsregierung der CDU, toleriert von Grünen und SPD wäre vorstellbar, aber angesichts der politischen Lage in Europa und unserem Grundgesetzt eher schwierig. Denn anders, als in skandinavischen Ländern sieht es unsere „Verfassung“ nicht vor Minderheitsregierungen die Verantwortung zu übertragen.

Eine durch die Linke gestützte Minderheitsregierung von SPD und Grünen wäre wohl eine sehr wackelige Konstruktion, vor allem bei den wenigen Sitzen, die die Parteien links von CDU/CSU mehr im Bundestag haben.

Das ist auch mein Hauptargument gegen eine Rot-Rot-Grüne Bundesregierung. Die Mehrheit ist zu klein. Es dürfte so gut wie keine Abweichler geben und das ist, hauptsächlich in Hinblick auf die West-Linke, ein Problem.
Langfristig muss es hier aber zu einer Lösung kommen, denn vorhandene linke Mehrheiten sollten auch genutzt werden.
Bei dieser Wahl ist allerdings auch kein Wählerwille hinter einer solchen Koalition zu erkennen, sondern höchstens eine rechnerische Mehrheit.

Eine Schwarz-Grüne Bundesregierung ist eine gute Alternative zu einer Großen Koalition.
Die inhaltlichen Differenzen sind überbrückbar, von manchen Landesverbänden (wie z.B. Baden-Württemberg) sogar erwünscht und in der CDU scheinen sich auch immer mehr Entscheidungsträger dafür zu interessieren.
Langfristig könnte uns aber, bei einem Funktionieren einer solchen Koalition, ein strategisch wichtiger Partner abhanden kommen, aber vielleicht bieten sich dann auch andere (Linke, FDP...)?

Zudem würde man dadurch auch die Opposition deutlich stärken, wodurch wir auch eine Verantwortung für das Land übertragen bekämen, was einige Unionspolitiker und Beobachter bisher nicht sehen. Sie wollen eine große Koalition herbeireden und unterstellen uns ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein.
Ein wunder Punkt, an dem wir uns, dieses Mal, nicht sofort aufreiben lassen dürfen. Denn die SPD hat auch in der letzten Opposition Verantwortung mitgetragen (Abstimmungen über Europapolitik) und käme dieser wie gesagt auch in der neuen Oppositionsrolle nach. Eine starke Demokratie braucht klare Unterschiede und keine, die Opposition erdrückenden, Mehrheiten, die dem linken und rechten Rand Zulauf bescheren würden.

Eines ist wichtig: Es besteht kein Automatismus für eine Große Koalition, vor allem, wenn andere Koalitionen möglich sind. Und damit zurück zum Anfang.
Im Wahlkampf, der ein klassischer Lagerwahlkampf war, ist eines deutlich geworden: Es bestehen deutliche Unterschiede in der Politik von CDU/CSU und SPD.
Diese Überzeugungen auf einen Nenner zu bringen ist keine leichte Aufgabe, vor allem weil bei CDU/CSU vieles im Ungefähren bleibt, oder einfach behauptet wird, so wie es ist, ist es gut. Die Konservativen haben sich hauptsächlich in Kritik geübt, aber selber eigentlich nichts vorgeschlagen, außer ein „Weiter so“.
Wir haben Ideen und Standpunkte und sind uns auch bewusst, wie wichtig viele unserer Themen sind. Auch die Bevölkerung steht bei vielen dieser Themen hinter uns.

Viele Genossen haben Angst eine Große Koalition, wie zwischen 2005 und 2009, könnte sich wiederholen. Allerdings spricht einiges dagegen eine solche Möglichkeit kategorisch aiszuschließen:

  • es gibt deutlichere Unterschiede in der Programmatik; man könnte also klar erkennen wer was umsetzt
  • Rot-Grün hat eine Bundesratsmehrheit
  • nach einem Scheitern droht aus Unionsperspektive Rot-rot-grün
  • trotz des deutlichen Abstands zwischen Union und SPD, sind CDU/CSU auf uns angewiesen und wissen, dass sie uns nur mit fairen Angeboten in eine Koalition bekommen und dass eine solche nur mit fairer Zusammenarbeit zu halten ist
  • nach der Großen Koalition von 1966 bis 1969 wurde Willy Brandt der erste sozialdemokratische Kanzler Deutschlands
  • aus Fehlern kann man lernen, warum also sollten wir uns nochmal so untergraben lassen wie vor der Wahl 2009?

Wir können auf jeden Fall gespannt sein, wer uns in Zukunft regieren wird und wie die Reaktionen nach den ersten Sondierungsgesprächen sind.

Mittwoch, 25. September 2013

Die FDP ist raus – Gott sei Dank?!

Von Robin Voss

Christian Lindner hat alles richtig gemacht. Lindner ist einer der wenigen Liberalen, die erkannt haben, auf welchem Kurs sich die FDP nach der Wahl Röslers zum Bundesvorsitzenden der Liberalen 2011 befand – auf dem Weg zum Abgrund.

Der FDP fehlt vorallem eines: Empathie. Mitgefühl für andere. Das ist nicht meine Auffassung, das ist die Auffassung von Sebastian Gratz, Landesvorsitzender der Jungliberalen Baden-Württemberg. Die FDP hat die Fähigkeit verloren ihre Standpunkte klar und deutlich darzustellen. Gratz nannte als Beispiel die Schlecker-Frauen, Philip Rösler tat das nach liberalen Standpunkten richtige, er bestand auf das Subsidaritätsprinzip und wollte keine Transferunion, was bedeutet, dass am unternehmerischen Scheitern der Unternehmer Schuld hat und diese zu tragen. Transfergesellschaften funktionieren darüber hinaus nur äußerst unzureichend, als Negativbeispiel lässt sich die Pleite von Philipp Holzmann 2002 nennen. Als Sozialdemokrat hätte ich mir eine solche Transfergesellschaft gewünscht (Nils Schmid tat sein Bestes), weil es eine Perspektive für die Beschäftigten geöffnet hätte, doch das soll nicht das Thema sein, sondern, dass die Liberalen nicht in der Lage waren zu erklären warum sie dies taten bzw. nicht taten. Was übrig blieb: Mangelnde Empathie.

Der nächste Punkt ist, dass die FDP den Liberalismus hat verkümmern lassen. Was heisst es denn liberal zu sein? Liberalismus bedeutet, in meinen Augen, dass jeder Mensch ein freies Individuum ist und seine Tätigkeiten selbstbestimmt und selbstverantwortlich ausüben darf und die Konsequenzen er zu tragen hat. Das bedeutet viel Vertrauen in den Bürger. Rösler hatte versucht dies heraufzubeschwören. Er sprach unentwegt von „Freiheit“. Das Problem: Ich finde den Gedanken an sich ja schön, jeder andere tat es als hohles Gefasel ab. Wars ja leider auch. Außer dem Duktus änderte sich nicht. Tatsächlich ist die FDP jedoch zu einer rein wirtschaftsliberalen Partei verkommen, Klientelpolitik ala Mövenpick. Das wollten schlussendlich nicht mal mehr liberale Stammwähler ernstnehmen und straften die FDP ab.

Christian Lindner ist Karrierist, das steht außer Frage. Bereits zum Zeitpunkt seines Rücktrittes als Generalsekretär der FDP war der Öffentlichkeit klar, dass er diesen Schritt ging um sich langfristig als Bundesvorsitzender in Stellung zu bringen. Dass er sich für die NRW-Wahl bereiterklärt hat die Spitzenkandidatur zu übernehmen und die FDP mit gutem Ergebnis in den Düsseldorfer Landtag gebracht hat war sein Plan. Nach Röslers Rücktritt nach dem desaströsen Ergebnis vom vergangen Sonntag war auch kein Mensch überrascht, dass Lindner es machen will und er Wolfgang Kubicki als seinen Stellvertreter haben möchte. Lindner ist dort angekommen wo er hinwollte: An der Spitze seiner Partei. Dummerweise befindet die sich momentan auf einem absteigenden Ast. Vielleicht trägt Lindner durch seinen Weggang selbst eine Mitschuld, dass es soweit kommen musste. Vielleicht stünde die FDP ohne einen Hundeversicherungsvertreter als Generalsekretär woanderst.

Ich wünsche mir eine starke liberale Partei in Deutschland. Ich wünsche mir aber keine FDP von 2013. Ich baue darauf, dass Christian Lindner und Wolfgang Kubicki die FDP langfristig weg vom Wirtschaftsliberalismus hin zum Sozialliberalismus umbauen und auch Bündnisse abseits der Union ermöglichen. Ebenso erhoffe ich mir von meiner SPD, dass sie aufhört nur mit den Grünen koalieren zu wollen und es vielleicht eine Renaissance der sozialliberalen Koalition gibt oder endlich einmal eine Ampel zustande kommt.

Meine These bleibt: Die FDP ist raus – Gott sei Dank! Ein Erneuerungsprozess der Liberalen geht nur ausserhalb des Parlaments, wären sie reingekommen hätten sie weiter munter vor sich hin gewurstelt. 2017 bitte ins Parlament wählen, aber nur, wenn sich etwas Grundlegendes geändert hat.

Dienstag, 13. August 2013

Mut gegen den Missbrauch einer Idee

Von Florian Burkhardt


Die Olympischen Spiele tragen mehr als jede andere sportliche Veranstaltung auf der Welt ein Ideal in sich, ein Ideal, das auf Völkerverständigung und freundschaftlichem Wettbewerb beruht. In der olympischen Charta heißt es: „The goal of Olympism is to place sport at the service of the harmonious development of humankind, with a view to promoting a peaceful society concerned with the preservation of human dignity.“ Diese Spiele nicht zu „politisieren“, wie es das Internationale Olympische Komitee wünscht, ist eigentlich unmöglich, weil allein diese Ideale schon zutiefst politisch sind.


Insofern widerspricht und widersprach es dem Ziel und Anspruch Olympischer Spiele, wenn diese von Diktatoren und Tyrannen instrumentalisiert werden. Es widersprach dem Ziel und dem Anspruch Olympias, als die Chinesen 2008 eine Propagandashow aus den Spielen machen konnten, in deren Schatten Meinungsfreiheit und die Rechte ethnischer Minderheiten mit Füßen getreten wurden. Es widersprach den Zielen und dem Anspruch Olympias als die Spiele 1980 in Moskau von den Sowjets zur Profilierung im Kalten Krieg verwendet werden konnte. Und es widersprach den Zielen und dem Anspruch Olympias als die Spiele 1936 in Berlin von den Nazis missbraucht wurden, um für ihr menschenverachtendes System in aller Welt zu werben, während gleichzeitig für 2 Wochen so getan wurde, als würden Juden in Deutschland nicht verfolgt.


Vielleicht sind die Spiele 1936 tatsächlich das beste Beispiel dafür, wie wir mit dem was uns im Winter in Sotschi erwartet umgehen müssen. Denn eine der stärksten und bekanntesten Szenen in der Geschichte der Olympischen Spiele geschah in Berlin. Als der afroamerikanische Leichtathlet Jesse Owens die Goldmedaille im Weitsprung gewann (Nachdem ihm der deutsche Olympionik Lutz Long einige Tipps gegeben hatte), wurde er von eben diesem umarmt und unter den Augen Hitlers und der Weltöffentlichkeit wurde aus den beiden Gewinnern des Wettbewerbs Freunde, ein Zeichen für das, was Olympia ausmacht.


Auch das wünsche ich mir für die Spiele in Sotschi. Ja, Russland verfolgt eine Politik, die alles mit Füßen tritt, wofür diese Spiele stehen. Sie ist menschenverachtend und antidemokratisch und doch wird sich nichts daran ändern, wenn der Westen die Spiele boykottiert. Aber westliche Athletinnen und Athleten können, ebenso wie Sportfunktionäre, ein Zeichen setzen. Sie können statt ihrer Landesfahnen die Regenbogenfahne tragen, sie können ihre Bi- oder Homosexualität offen ausleben und sie können Statements abgeben. Für mehr als zwei Wochen wird die Welt und ganz Russland ans Schwarze Meer blicken, was für eine Gelegenheit, um dem Regime mutig die Stirn zu bieten. Es ist selbstverständlich, dass die Politiker und Diplomaten nachziehen müssen, aber die Sportlerinnen und Sportler in Sotschi haben die Chance, echten Mut und echte Solidarität zu zeigen.


Deshalb würde ich mich auch dagegen aussprechen, die Olympischen Spiele nur in solchen Länder zu veranstalten, die als „demokratisch“ gelten. Zum einen ist „demokratisch“ ein dehnbarer und schwammiger Begriff und zum anderen sollte Olympia sich auch nicht als eine Demokraten-Veranstaltung begreifen. Die Spiele waren von Anfang an als Fest der Nationen gedacht, das der Völkerverständigung dient. Aber und auch das ist wichtig: Hinter Olympia steht eine Message, für die auch das IOC einzutreten hat. Lasst uns mit den Olympischen Spiele in Länder wie Russland oder China veranstalten. Aber lasst uns auch gleichzeitig Kritik üben, lasst uns für eine bessere Politik und ein besseres Miteinander werben. Bislang haben Diktaturen Olympia immer für sich selbst missbraucht, warum sollte Olympia den Spieß nicht umdrehen? Man sollte als IOC ganz klar sagen: „Ja, wir kommen in ein Land, dads nicht perfekt ist.“ Und dann zeigen, wie es besser geht. Das widerspricht vielleicht dem Geist des Kommerzes, der einer großen Sportveranstaltung innewohnt. Aber es widerspricht ganz und gar nicht dem Geist Olympias.


Montag, 15. Juli 2013

Everywhere around the world, the data is coming to America.

Von Robin Voss

Es wird viel geschrieben zur Zeit, über Datenklau, Prism und Überwachungsstaat. Über Ed Snowden, über Bundesinnenminister Friedrich und seine lächerliche Reise nach Washington, über Angela Merkel und ihre Verschleppungstaktik (das Sommerinterview vom vergangenen Sonntag sehe ich ebenfalls als Verschleppung an).

Jakob Augstein hat heute einen guten Artikel auf Spiegel Online veröffentlicht: Über die grauenvolle Art und Weise mit der unsere Regierung mit Prism umgeht. Am Ende zieht er einen Vergleich mit Costa Concordia-Kapitän Scettino und Angela Merkel. Etwas überspitzt, aber treffend. Die einzige Ministerin, die ernsthaft empört ist, ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie verkörpert Glaubwürdigkeit (und Aufrichtigkeit: Unter Kohl ist sie bereits als Justiz-Ministerin zurückgetreten, weil sie den großen Lauschangriff nicht mittragen wollte. Eine aufrichtige Liberale.). Dummerweise hört ihr kein Mensch zu.

Was mich aber viel mehr Sorgen bereitet ist der Umgang der Amerikaner mit uns. Spielen wir mal folgendes Szenario durch:
Die USA sind unser besorgter Bündnispartner. Sie haben Angst um die deutsche Bevölkerung und wollen uns vor Terrorangriffen schützen und verstehen einfach nicht, dass wir uns nicht so gern überwachen lassen. Dann sollten die Amerikaner schnellstmöglich unsere Regierung über das Ausmaß der Überwachung informieren um somit Imageschäden von sich zu wenden.

Das andere Szenario ist das mir momentan wahrscheinlichere: Die USA hat Angst, dass aus Deutschland so große Gefahr ausgeht, dass die deutschen Geheimdienste und Behörden nicht mehr damit fertig werden. Das kann berechtigt oder unberechtigt sein, auf jeden Fall wird es auf Misstrauen fußen. Misstrauen können wir in Bündnissen nicht gebrauchen.

Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten: Wir steigern die Bespitzelung der eigenen Bevölkerung, unter anderem auch mit Dingen wie der Vorratsdatenspeicherung, mehr Kameras auf öffentlichen Plätzen, usw. damit die Amis das nicht mehr tun müssen und mehr Vertrauen in BND und Verfassungsschutz (ok, der war gut :D) erhalten. Oder wir steigen den Amis aufs Dach.

Ich wünsche mir eine Regierung die letzteres tut. In einem Überwachungsstaat zu leben, darauf habe ich keine Lust. Wer diese Aussage nicht versteht, der sollte einmal „V wie Vendetta“ anschauen.
Was mich aber zu Tode aufregt ist, dass die Amerikaner sich ziemlich dumm aufführen. Anstelle sich öffentlich vielleicht einmal zu entschuldigen unser Grundgesetz gebrochen zu haben und Prism einzustellen spielen sie die öffentliche Empörung in Deutschland runter und schieben den Vorwand der Terrorismusbekämpfung vor. In Amerika sterben mehr Leute im Jahr, weil sie von der Leiter fallen. Circa 15x so viel wie durch Terrorismus. Und die Deutschen sind nicht dumm und sie erkennen diesen Missstand! Wir Deutschen hatten Empathie für unsere Freunde, die Amerikaner, als am 11. September 2001 ein grauenvoller Anschlag die Weltpolitik von einem Tag zum anderen auf den Kopf stellte.

Doch als Bush in den Krieg im Irak zog, da fing es an. Wir Deutschen wollten in der Mehrheit diesen Krieg nicht (und Gott sei Dank haben Gerd Schröder und Joseph Fischer diesem Krieg eine klare Absage erteilt!). Wir Deutschen glaubten George W. Bush nicht und wir bekamen traurigerweise Recht – Hussein hatte keine Massenvernichtungswaffen (Trivia: Der ehem. Botschafter Joseph C. Wilson wurde 2003 dazu beauftragt nach Niger zu reisen um festzustellen ob Hussein dort Uran kaufen wollte. Die Papiere stellten sich als Fälschung heraus. Als Bush in der Öffentlichkeit die Aussagen Wilsons verdrehte, veröffentlichte jener unter Pseudonym einen Zeitungsartikel, welcher wiederum die Wahrheit wiedergab. Daraufhin wurde seine Frau, Valerie Plame, als CIA-Agentin enttarnt. Unter den damaligen Whistleblowern, die diese Information an die Presse weiterleiteten um Wilson zu diskreditieren, war unter anderem auch Dick Cheney. Ich empfehle den Film „Fair Game“ mit Sean Penn der diese Geschichte erzählt).

Nach der Wahl von Obama erhoffte sich die ganze Welt einen Wechsel. Doch so viel Sympathie ich für Obama empfunden habe, muss ich eingestehen: Amerikanische Politik ist nicht einmal ansatzweise mit europäischer vergleichbar. Obama ist kein Demokrat europäischer Prägung, Obama steht für dieselbe Aussenpolitik wie George W. Bush. Obama verspielt sich langsam deutsche Sympathien, er verspielt deutsche Sympathien für Amerika. Er fördert aufkeimenden Anti-Amerikanismus in der Bevölkerung. Das ist Zündstoff für kommende Generationen.

Obama sollte sich dessen bewusst sein: Ohne einen guten Draht nach Deutschland wird die Rolle der Amerikaner als Bündnispartner der Europäischen Union schlechter werden – und die Amis sind auch auf uns angewiesen wie wir auf sie.

Ich will ein Deutschland mit einem guten Draht über den großen Teich. Ich wünschte mir, die Amerikaner würden das auch wollen.

Montag, 8. Juli 2013

¡Viva la visión!

Von Florian Burkhardt

Das war sie also meine erste Juso-Landesdelegiertenkonferenz. Ich muss gestehen, ich bin überraschend unüberrascht: Die Grußworte waren so langweilig wie erwartet und die Konfliktlinien verliefen, wie es abzusehen war.

Eine Sache, die zwar ebenso sehr vorhersehbar war, hat man ehrlich gesagt, dann doch gestört. Ein Argument, das bei einigen Kritikern des Landesvorstandes mit großer Häufigkeit genutzt wurde. Die viel beschworene „Vision“.

Es fehle den Anträgen des Landesvorstandes oder Kreisverbänden, die ihm inhaltlich nahestehen, stets an Visionen. Es sei keine Vision erkennbar. Oder der visionäre Charakter komme zu kurz.

Ich könnte nun zu einer Visionskritik greifen, und à la Helmut Schmidt einfach alle Kritiker zum Arzt schicken. Oder ich kann mich, als jemand der dem Landesvorstand inhaltlich nahe steht, mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass es mir an Visionen mangele.

Meiner bescheidenen Meinung nach mangelt es nämlich weder mir noch denen, die inhaltlich nicht ganz so radikale Positionen vertreten, an einer Vision. Denn nur weil jemand Inhalte fordert, die „linker“ sind, als sie die SPD oder andere vertreten, macht ihn das noch lange nicht zum Visionär. Und nur weil jemand von sich behaupten kann, dass er inhaltlich mit Marx, Keynes oder einem anderen großen Denker in einer Linie steht, macht ihn das noch lange nicht zu einem solchen Denker.

Nein, Visionär ist man nicht nur, in dem man etwas Utopischeres fordert, als es die Mutterpartei oder die Mehrheit der Gesellschaft fordert. Visionär ist man, wenn man eine klare Vorstellung davon hat, was und vor allen Dingen, wie man eine Gesellschaft verändern will. Nun mag man es visionär nennen, wenn man an einem Rednerpult steht und Feminismus, Antifaschismus und demokratischen Sozialismus predigt. Und ich persönlich stehe zu jedem einzelnen dieser Ideale.

Aber an dieser Stelle sollte vielleicht ein Visionär wie Willy Brandt sprechen, der es 1992 so ausdrückte: „Besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, daß jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“ Es ist nichts visionär daran Dinge zu fordern, die vor einem schon andere erfolglos gefordert haben und erst recht ist es nicht visionär eine Utopie als Selbstzweck zu predigen, ein Ideal, das für 99% der Menschen außerhalb der Parteien nur eine leere Hülle ist, schlicht und ergreifend etwas, was ihnen nichts bedeutet.

Vielmehr sollte man stets versuchen die richtigen Antworten für die richtige Zeit zu haben, statt nur immer auf dem Maximum zu beharren. Willy Brandt hätte in den 70er Jahren auch auf eine schnelle Wiedervereinigung pochen können. Aber wäre er so als Visionär in die Geschichte eingegangen? Wohl kaum.

Wer politisch etwas bewegen will, der muss die Zeichen der Zeit sehen und das System, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, in die richtige Richtung bewegen. Immer ein Stück, so wie es immer die Art der Sozialdemokratie war. Durch Reformen und kleine Schritte, bereit zum Kompromiss, statt immer nur auf dem Maximum zu beharren. Visionär ist eben der, der realisierbare Alternativen bietet, der, der das in seiner Zeit maximal mögliche fordert. Das andere, das sind keine Visionäre, sondern Utopisten.

Montag, 1. Juli 2013

Willkommen in der Familie

Von Florian Burkhardt

Seit Mitternacht ist die Republik Kroatien nun offiziell Mitgliedstaat der Europäischen Union. Seit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages im Dezember 2011 haben Kroatinnen und Kroaten ebenso wie die Regierungen der EU darauf gewartet und gehofft, dass dem Beitritt doch nicht noch etwas dazwischen kommt. Und nun ist es geschafft. Nummer 28 ist vollwertiger Teil der europäischen Familie.

Viel wurde im Voraus diskutiert und debattiert, ob der kleine Adriastaat bereit sei für die EU, ob die wirtschaftlichen und politischen Standards, die in den Kopenhagener Kriterien festgeschrieben sind, wirklich erfüllt wurden. Kritik ist immer berechtigt, vor allem wenn man die Geschichte bedenkt: Es ist erst 20 Jahre her, dass sich die Bundesrepublik Jugoslawien in blutigen Bürgerkriegen aufzulösen begann. Die Spannungen zwischen den Staaten auf dem Balkan sind immer noch existent und nicht wenige sagen, dass nur der Druck von NATO und EU und deren Militärpräsenz ein neues Aufflammen der Konflikte verhindern.

Und doch bleibt es dabei, der Beitritt Kroatiens ist ein Gewinn für den Balkan und die EU, und zwar aus zweierlei Gründen:

Erstens wird dadurch erneut die Rolle, die die EU als Stabilisatorin spielt, deutlich: Die Hoffnung auf Beitritt und nicht zuletzt die durch den Beitritt entstehende Verpflichtung zur friedlichen Kooperation und Koexistenz, erzeugen ein Klima, in dem die Beilegung historischer Streitigkeiten und Konflikte zum logischen Zwang wird. So wie durch die Kooperation zwischen den „Erbfeinden“ Deutschland und Frankreich eine Freundschaft entstand, kann es auch zwischen den Staaten auf dem Balkan geschehen. Dadurch stärkt die Union die Stabilität des Balkan.

Zweitens stärkt der Beitritt eines Staates erneut die Union. Nach außen wird dadurch wieder klar: Das System von immer engerer Integration, Aufgabe nationalstaatlicher Souveränitäten und friedlicher Kooperation ist immer noch beliebt. Trotz Euro-Krise bleibt die EU attraktiv und zeigt: Der Nationalstaat ist politisch nicht das Absolutum. Ihn zu überwinden und damit die Europa und die Welt friedlicher und sicherer zu machen, bleibt mit die Aufgabe der Sozialdemokratie.

Trotz allem positiven, bleibt sowohl Kroatien als auch der EU ein langer steiniger Weg. Kroatien muss die geschafften Fortschritte erhalten und sich weiter zu einer stabilen und sozialen Demokratie wandeln. Organisierte Kriminalität und Korruption sind Probleme, denen sich Kroatien mit der Hilfe seiner europäischen Partner widmen muss.

Die EU muss sich wiederum endlich trauen einen Schritt weiterzugehen, Demokratisierung ist hier das Stichwort. Wir müssen den Mut zeigen, dass wir ein starkes und geschlossenes, und vor allem ein politisch eigenständig handlungsfähiges Europa wollen. Die Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments ist dafür nur der erste Schritt. Langfristig müssen wir die Churchill'schen Vereinigten Staaten von Europa wagen. Das ist die Vision und dafür sollten wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einstehen.

Freitag, 14. Juni 2013

Die verstrittene SPD - eine Fehleinschätzung.

Von Robin Voss

Die SPD wird oft in den Medien stark kritisiert: Unser Kanzlerkandidat sei unglaubwürdig, sein Kompetenzteam sei reiner Parteiproporz, Steinbrück habe das verloren, was ihn ausmachte: Seine (selbstsogenannte) Beinfreiheit. Die SPD wäre verstritten, handlungsunfähig, nicht in der Lage eine Regierung zu führen.

Diese Aussage halte ich für ausgemachten Blödsinn. 

Wir stehen geschlossen zusammen. Selbst Partei-Linke stehen hinter unserem Kandidaten. Unser Programm gibt die richtigen Antworten. Diese sind sogar so gut, dass die CDU sie übernimmt. Darauf kann man stolz sein! Eigentlich kann man die Christdemokraten nur beglückwünschen, dass sie Einsicht zeigen. Doch das Original gibt es nur bei uns.

Das Kompetenzteam ist gut. Mit Karl Lauterbach und Manuela Schwesig hat Steinbrück eine großartige Wahl getroffen, der Zwist mit dem Agendakritiker Wiesehügel ist von den Medien ausgedacht. Ich kenne die SPD nur als die Partei, die über jeden Punkt hart ringt und immer streitet. Aber an Konferenzparties wird dennoch miteinander ein Bier getrunken und gelacht. Fair im Umgang miteinander, hart in den Debatten um Inhalte. So muss das sein.

Ich bin erst seit 1. Oktober 2010 Mitglied der SPD, deswegen sind meine Einschätzungen hier rein subjektiv. Ich weiss nicht wie die Lage der Partei vor diesem Zeitpunkt war, dennoch glaube ich aus der jüngsten Parteigeschichte eines herauslesen zu können: Wenn man sich ansieht, wie die SPD nach der Wahl"niederlage" 2005 (welche eigentlich eine Wahlniederlage der Grünen war) sich verhalten hat, dann ist eines ersichtlich: Es war die Zeit, in der man nach der Ära Schröder nach sich selbst suchen musste. Das macht den Wechsel der Parteivorsitzenden deutlich (Müntefering, Platzeck, Beck, wieder Müntefering und schlussendlich Sigmar Gabriel in 5 Jahren), genauso wie bei den Generalsekretären (Müntefering, Scholz, Benneter, Heil und schlussendlich Nahles in 10 Jahren, davon haben Scholz und Benneter nicht einmal 2 Jahre durchgehalten).

Oft tut man in der Regierung Dinge, für die man nicht gewählt wurde: De Gaulle entlässt Algerien in die Autonomie, Mitterand privatisiert die französischen Staatsunternehmen, die Grünen unter Bundesaussenminister Joseph Fischer ziehen in den Krieg (immerhin ist diese Partei aus der Friedensbewegung entstanden!) und ein sozialdemokratischer Kanzler reformiert den Sozialstaat hin zu mehr Eigenverantwortung. Und genau diesen letzten Punkt, den musste die Partei verarbeiten. Doch diese Zeit ist überwunden.

Meine SPD bekennt sich zur Agenda. Aber sie hat Baufehler, die nun korrigiert werden müssen: Regulierung der Leih- und Zeitarbeit, Mindestlohn, Nachbesserungen im Rentenkonzept. Diese Nachbesserungen gibt es nicht mit der Politikverwaltung um Angela Merkel. Schwarz-Gelb ist die größte NGO Deutschlands.

Steinbrück war gestern bei Maybrit Illner. Die wollte ihm erklären, dass er alle seine alten Standpunkte über den Haufen geworfen hat und nun ein Programm vertrete, für das er nicht steht. Was ein Blödsinn. Steinbrück merkte nicht nur einmal an, dass die Darstellung unfair war und auch wenn das weinerlich klingt: Er hatte Recht! Egal, wie man zur Agenda steht, eines kann man nicht von der Hand weisen, man muss nachbessern, und das geht nur mit einer starken Sozialdemokratie, weil wir selbst kritisch mit dieser Zeit umgegangen sind, die Baufehler im System erkannt haben und es ändern möchten. Genau das weiss auch Peer Steinbrück. Was heute richtig ist muss morgen kritisch beäugt werden. In der Arbeits-, Finanz- und Wirtschaftspolitik gibt es kein schwarz und kein weiss, kein Richtig, kein Falsch, es gibt viele Graustufen. Jede Veränderung führt zu Konsequenzen, jede Entscheidung wird zu Positivem und Negativem führen. Und das Negative gehört ausgemerzt. Das Negative gehört nachgebessert. Das Negative muss zum Positiven werden.

Unter Sigmar Gabriel haben wir wieder Stärke gewonnen. Dieser Mann hat mit Entschlossenheit für Stabilität in der Partei gesorgt. Gabriel ist wohl der beste Parteivorsitzende den wir seit Hans-Jochen Vogel hatten. Wie kein anderer arbeitet er für den Erfolg der Sozialdemokratie, wirbt dafür in der Gesellschaft, vertritt Beschlusslagen, auch wenn sie unbequem sind (Stichwort Tempolimit).
Jeder, der an der SPD 2013 zweifelt und eventuell Angst davor hat sie zu wählen, eine oft als verstritten gezeichnete Partei, eine Partei, welcher unterstellt wird, dass sie nicht hinter ihrem Programm, nicht hinter ihrem Kandidaten steht, wer Angst hat, diese Partei zu wählen, dem kann ich jede Angst nehmen: Die Genossin, welche bei Illner offen Kritik an Steinbrück richtete, diese Dame gehört zu einem kleinen Teil dieser Partei. Einem ganz kleinem Teil der SPD.

Wir haben wirtschaftlich stark von der Zeit der Deregulierung profitiert. Es wird Zeit hier nachzubessern. Ein soziales Deutschland gibt es nur mit einem sozialdemokratischen Kanzler. Ein soziales Deutschland geht nur mit Peer Steinbrück.

Donnerstag, 6. Juni 2013

Karlsruher Klatsche

Von Florian Burkhardt

Sollten sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts um Andreas Voßkuhle jemals auf einem CSD irgendwo in Deutschland blicken lassen, dann ist ziemlich sicher, dass sie nüchtern und ungefeiert von der Parade nicht mehr wegkommen. Denn kein deutsches Verfassungsorgan hat seit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes 2001 unter Rot-Grün so viel für die Rechte der Homosexuellen getan, wie das Bundesverfassungsgericht.

Heute Morgen haben die Karlsruher Richter erneut die Politik der Bundesregierung infrage gestellt, erneut eine Klatsche für die Union, die schon wieder aus Karlsruhe korrigiert wird. Wie ich zu diesem Beschluss des höchsten deutschen Gerichtes stehe, dürfte hinreichend bekannt sein, ansonsten empfehle ich meine anderen Beiträge zu diesem Thema auf diesem Blog.

Stattdessen möchte ich zweierlei an dieser Stelle anmerken: Zum einen, dass es eine ungeheure Peinlichkeit für eine Regierung ist, wenn das Verfassungsgericht ihr wiederholt zu einem Thema vorschreiben muss, was verfassungskonform und was verfassungswidrig ist. Hätten wir es mit einer anderen Kanzlerin als Angela „Teflon“ Merkel zu tun, wären Konsequenzen notwendig. Aber dass sich diese Kanzlerin von Verfassungs- oder logischen Zwängen in ihrer populistischen Machtpolitik nicht stoppen lässt, dürfte hinreichend bekannt sein. Inwiefern die verfassungsmäßige Ordnung durch eine solche Politik untergraben wird, ist eine andere Frage. Denn eigentlich sollte das Verfassungsgericht nur Korrektiv nicht quasi Gesetzgeber sein. Es ist kritisch zu sehen, wenn die Kanzlerin die Judikative zwingt für sie die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen.

Zweitens gilt es nun für die SPD und die anderen politischen Parteien ihren Fuß in diese Tür stecken. Jetzt ist der Zeitpunkt mit diesem Thema richtig Druck zu machen und die Regierung zu zwingen sich zu offenbaren. Die FDP muss endlich die Gretchenfrage beantworten, wie ernst es mit ihren Bekenntnissen zu den Rechten von Homosexuellen ist. Und die Union muss einen Offenbarungseid leisten: Steht sie noch immer zu einem Familienbild, das auch aus dem 19ten Jahrhundert stammen könnte? Oder ist sie doch bereit über den konservativen Tellerrand hinauszublicken und zu akzeptieren, dass die Mama-Papa-Zwei-Kinder eben nicht das perfekte Bild ist, an dem sich alle orientieren sollten?

Fakt ist und bleibt das Bundesverfassungsgericht wird diese Regierung auch nach der Bundestagswahl weiter zwingen sich der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu stellen. Die Union kann sich als einzige Partei weiter sträuben oder die Realität anerkennen. Sträubt sie sich, dann wird sich die Politik dieses Landes eben ohne die zweitgrößte Partei der Republik ändern. Dafür wird Deutschlands höchstes Gericht schon sorgen. Und um Klaus Wowereit zu zitieren: Das ist auch gut so.

Montag, 3. Juni 2013

Global Player oder lauter kleine Lichter?

Von Florian Burkhardt

„In fact, we live in a “G-3” world — one that combines U.S. military power and consumption, Chinese capital and labor, and European rules and technology.“ - Mark Leonard

Ich hatte in der vergangenen Woche das Vergnügen in Stuttgart an einer Model United Nations Konferenz teilzunehmen. Im Sicherheitsrat konnte ich – meiner Meinung nach recht erfolgreich – die Positionen und Interessen Großbritanniens vertreten. Eine Szene ist mir dabei besonders eindrücklich in Erinnerung geblieben: Der französische Delegierte sprach zum Thema Somalia davon, dass sich die EU stärker auch mit Personal in Somalia engagieren sollte. Als Großbritannien, eigentlich einer der engsten Verbündeten Frankreichs, musste ich dem widersprechen und sagte sinngemäß: „Großbritannien sieht diesen Punkt deutlich differenzierter als der Vertreter Frankreichs und wird sich weder an einer EU-Mission auf dem somalischen Festland beteiligen noch ihr zustimmen. Frankreich spricht hier nicht im Namen der EU, die EU hat zu dieser Position keine Meinung.“ Das Thema einer europäischen Mission war damit quasi erledigt.

Diese kurze Episode macht eine der größten Schwächen, die die EU hat mehr als deutlich: Gleichwohl sie der größte Wirtschaftsraum der Welt, einer der größten Entwicklungshilfegeber und eine der schlagkräftigsten Militärkomplexe der Welt ist, ist sie auf globaler Ebene ein kleines Licht. Außenpolitisch gesehen spielen die Nationalstaaten, hier vor allem zu nennen die „großen Drei“ Deutschland, Frankreich und Großbritannien, eine größere Rolle als die Union als Ganzes. Das hat verschiedene gute und weniger gute Gründe, ist jedoch zunehmend fatal. Eine der Hauptthesen dieses Textes soll deshalb sein: In Zeiten, in denen die BRICS-Staaten global an Einfluss gewinnen, ist die internationale Handlungsunfähigkeit der Union ein zunehmender Nachteil. Oder formulieren wir es so: In 15 Jahren kann die EU global in einer Liga mit China und den USA spielen oder Frankreich, Großbritannien und Deutschland können kaum mehr als kleine Lichter auf dem globalen Parkett sein. Geht man zudem davon aus, dass globale Multipolarität, wie sie gerade entsteht, Kriege und Krisen begünstigt, dann wird aus dem ersten Szenario ein geopolitisches Muss.

Zwar ist die EU heute in ihrer Handlungsfähigkeit nicht so eingeschränkt, wie das auf den ersten Blick scheinen mag, das jüngste Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo unter Moderation von Lady Ashton und die knapp 30 zivilen und militärischen EU-Missionen im Ausland sprechen für sich. Aber die Gegenbeispiele sind eben deutlich zahlreicher. Hier zu nennen sind beispielsweise das Abstimmungsverhalten als es um Palästina ging, die uneinige Haltung zur Situation in Syrien oder das bekannteste Beispiel: Das Versagen um das Finden einer gemeinsamen Position 2003 bei der Militärintervention im Irak.

Jedoch und da sind wir uns sicher alle einig, gibt es durchaus noch mehr Raum für eine außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähigere EU, wobei sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit nicht gleich militärisches Abenteuertum ist und außenpolitische Handlungsfähigkeit nicht gleich globale Großmannssucht ist, sondern vielmehr ein logischer Zwang infolge von Assymmetrierung, Globalisierung und Veränderung. Mal ganz davon abgesehen wie viel Geld man durch europäische Streitkräfte, und sei es nur durch „pooling and sharing“ sparen könnte.

Das sich die Sozialdemokratie in Deutschland für eine handlungsfähigere Union einsetzen sollte, ist meiner Ansicht nach Pflicht. Dieser Aspekt tritt durch die „Euro-Krise“ in den Hintergrund, obwohl jetzt ein wichtiger Zeitpunkt dafür ist, ehe sich das Globale Spielfeld endgültig mutlipolar verfestigt. Von daher kann es als ein positives Zeichen gesehen werden, dass Ende 2013 ein EU-Gipfel zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik stattfinden wird, auch wenn aller Voraussicht nach maximal einige kleine Schritte vorwärts gemacht werden.

Gerade die deutsche Außenpolitik, die sich stets als „eingebettet“ in die europäische Außenpolitik begriffen hat, könnte sich selbst überflüssig machen zugunsten einer europäischen Außenpolitik, oder wenn man es überspitzt formulieren will: Will die deutsche Außenpolitik ihrer Tradition bleiben muss sie sich als Vorreiter definieren. Das ist meiner Einschätzung nach einer der wichtigsten Schritte hin zu einer außenpolitisch handlungsfähigeren EU. Dass der Regierung Merkel hierfür der Mut fehlt ist selbstredend. Das ist aber nur ein weiterer Stein im Mosaik der Gründe, warum diese Regierung abgewählt gehört.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Alles Gute und auf die nächsten 150!

Von Florian Burkhardt

Die SPD und mit ihr die Sozialdemokratie als Ideologie feiert heute ihren 150sten Geburtstag. Am 23. Mai 1863 gründete sich mit dem ADAV die Vorgängerorganisation dessen, was heute die SPD ist. An diesem besonderen Tag bleibt dem Leser wohl etwas Pathos nicht erspart, wie man das eben an runden Geburtstagen macht.

Vor 150 Jahren sah dieses Land deutlich anders aus, als es das heute tut: Pauperismus, Ausbeutung & politische Unterdrückung prägten die deutschen Länder, die immerhin noch 8 Jahre darauf warten mussten von Bismarck zusammengeschweißt zu werden. In diese Zeit hinein setzten Ferdinand Lasalle und seine Anhänger einen Gedanken, den später vor allem Eduard Bernstein komplettieren sollte. Und zwar erkannten sie zum einen, dass es eine Befreiung der Menschen nur mit breiter Bildung für die Massen geben könne – ein im elitären Deutschland immer noch revolutionärer Gedanke – und dass es bis zur Revolution kein Fehler sein könne die bestehenden Verhältnisse durch Reformen zu ändern. Es war schließlich der bereits erwähnte Eduard Bernstein, der die SPD endgültig zur Reformpartei machen sollte und der eines der sozialdemokratischen Credos prägen sollte: „An Umsturz glaube ich nicht, Gewaltkonflikte politischer Natur stehen auf einem andern Kapitel, und die Revolution der Gesellschaft kann nur durch Reformen, d.h. immer nur partiell durchgeführt werden.“

Es war diese SPD, die sich 1918 an die Spitze einer ungewollten Revolution setzte und Deutschland in die Demokratie führte. Es war diese SPD, die diese Demokratie 1919 gegen Spartakisten und Anarchie und 1933 gegen Nationalsozialismus, Diktatur und Barbarei stemmte. Es war diese SPD, die nach dem Krieg aufstand und mithalf Deutschland wiederaufzubauen, erst in der Konstruktiven Opposition und später in der Regierung. Es war diese SPD, die mit Ostpolitik, Bildungsreform und anderen wichtigen Projekten diese Republik zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Und zwar zu einer Republik, in der die Folgen des Kapitalismus nicht mehr zu krassen Pauperismus führen, in der Frauen nicht nur rechtlose Objekte sind und der Menschen frei wählen und ihre Meinung äußern dürfen.

Als Partei hat die SPD dabei durchaus auch Fehler gemacht. Die Kriegskredite 1914, das Scheitern der Regierung Müller 1930, die Haltung zur Westintegration und die Fehler, die bei der Umsetzung der Agenda 2010 begangen wurden. Trotz allen diesen Rückschlägen bleibt jedoch der durchschlagende Erfolg der Sozialdemokratie, als politischem Gedanken, unübersehbar. Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität mögen Werte sein, die aus der SPD gekommen sind und dort immer noch ihre Heimat haben, jedoch haben auch andere Parteien mehr oder weniger glücklich diese Werte in sich aufgenommen. Auch das ist ein Erfolg der SPD.

Für die Zukunft kann man dieser Partei eigentlich nur zweierlei wünschen: Zum einen, dass sie den Mut das zu tun, was sie für richtig hält, weiterhin mutig einzufordern. Seien es Demokratie und Gerechtigkeit oder Frauenquote und Tempo 120. Und zum anderen, dass sie auch in einer Zeit, die immer komplexer wird, die Vision eines friedlichen, demokratischen und gerechten Deutschland in einem geeinten Europa nicht aus den Augen verliert. Den für diese Vision und für all ihre Facetten haben sich in den letzten 150 Jahren Menschen engagiert und starkgemacht. So wie sie es heute noch tun. Damit diese Vision eines Tages Realität wird.


Mittwoch, 8. Mai 2013

Tempolimit - Rationalität oder Bauchgefühl?

Von Robin Voss

Der Stern frägt, Sigmar Gabriel antwortet: Die SPD fordert ein Tempolimit von 120 auf Bundesautobahnen.

Und das im Wahlkampf. Aua.

Tatsächlich ist es so, dass die SPD bereits auf ihrem Bundesparteitag 2007 beschloss, dass ein Tempolimit eingeführt werden soll. Sigmar Gabriel tut also das, was ein guter Parteivorsitzender tun sollte: Er repräsentiert die Beschlusslage der Partei, der er vorsitzt.

Generell spricht vieles für ein Tempolimit: Der Verkehrsfluss wird verbessert, die Verkehrssicherheit auch und es wird Sprit eingespart. Ich muss selber als leidenschaftlicher Autofahrer eingestehen, dass es durchaus zu gefährlichen Situationen kommen kann, wenn man mit hohem Tempo auf der Autobahn fährt und ein langsames Auto oder ein LKW ausschert. Nicht selten kam ich oft in kritische Situationen, führt mich mein Weg zu meinem Studienort über die weitgehend unbegrenzte A81. Und wenn ich spät dran bin (was ich zumindest morgends immer bin) tret ich auch aufs Gas und kriege die Quittung spätestens an der Tankstelle.

Doch weite Teile der Bevölkerung wollen das Tempolimit nicht. Der Grund liegt auf der Hand:
Wir Deutschen sind ein Volk der Autofahrer. Manch Hamburger oder Berliner schüttelt vielleicht den Kopf, aber auch aus Gründen der schlechten ÖPNV-Anbindung in weiten Landesteilen sind viele Menschen auf ein Auto angewiesen. Und vorallem in Baden-Württemberg, mit einer starken Automobilindustrie, ist die Begeisterung für schnelle PKW ungebrochen. Das erkennt man wenn man sich die Produktpalette schwäbischer Automobile anschaut: Bis zu momentan 630PS werden von Fahrzeugherstellern aus BW angeboten. Und ich unterhalte mich nicht selten mit Freunden über ihre Autos, ihre Erfahrungen, auch über Spritverbrauch, aber hauptsächlich über Leistung und Fahrverhalten.

Bei der Frage nach Tempolimits geht es wenig um Vernunft, es geht viel um das Wohlbefinden der Deutschen: Wir wollen kein Tempolimit. Ich kenne nicht wenige Menschen, die eine Wahlentscheidung von genau diesem Thema abhängig machen. Es ist ein sehr emotional geladenes Thema. Wenn ich schon zur Arbeit fahren muss, dann möchte ich auf der Heimfahrt wenigstens Gas geben können, auch wenn es der Stau verhindert. Man will keine Bevormundung. Bei vielen Bereichen kann man es ignorieren, es verdrängen, ob ich nun draußen rauchen muss oder nicht wird hinter dem Lenkrad egal, aber ich will nicht 120 fahren wenn mein Auto die doppelte Geschwindigkeit fahren kann. Das Lebensgefühl Auto macht aus, dass ich einsteigen und sagen kann „Wenn ich will, kann ich jetzt ans Meer fahren. Nach Spanien. Oder Portugal. Und das so schnell wie ich möchte. Ich bin der Herr über die Pferde unter meiner Motorhaube.“. Auch wenn ich nur nach Leonberg zur Arbeit fahren werde.

Ich will hier meine eigene Meinung gar nicht in den Vordergrund rücken, auch ich bin gegen ein Tempolimit. Hier geht es mir darum, dass sich die parlamentarische Demokratie von der Mehrheitsmeinung der Deutschen entfernt. Hier geht es um Vertrauensverlust in den Deutschen Staat.

Wenn jemals dieses Tempolimit zur Debatte im Bundestag kommen sollte, so wünsche ich mir einen Volksentscheid. Dies ist eine Einzelentscheidung, die nichts mit politischen Strömungen zu tun hat, nichts mit der Richtung in der Finanz-, Wirtschafts- oder Bildungspolitik, nicht mit der Zukunft Europas, was die wichtigen Themen dieser Zeit sind, hier geht es um EINE innenpolitische Sachfrage.
Meine Zeit als Pendler ist nebenbei vorbei: Seit heute fahre ich mit dem Zug zur Uni. Die Spritkosten waren mir zu hoch.

Freitag, 19. April 2013

„Ich bin eine Quotenfrau und bin Stolz darauf!“

Von Clara Streicher


Das für mich doch sehr schöne Zitat aus der Überschrift stammt von Leni Breymaier und bringt mich gleich zum eigentlich Thema des Tages. Warum brauchen wir eine gesetzliche Frauenquote von 20% in Führungspositionen?

Wie Elisabeth Winkelmaier-Becker (CDU MdB) es so treffend festgestellt hat, auch wir die SPD und die Grünen brauchen das Argument gesetzliche Frauenquote, um Frauen in Spitzenpositionen zu befördern. Denn „hochqualifizierte Frauen stehen in den Startlöchern, aber dort werden sie bleiben, wenn es so bleibt wie es ist“ (Frank Walter Steinmaier). Auch die SPD ist bei diesem Thema kein gutes Vorbild, wie es in der Debatte von der momentanen Regierung immer betont wurde. Aber jetzt den gleichen Fehler wie die damalige Rot-Grüne Bundesregierung, zu Lasten der Frauen, schon wieder zu begehen, wie vor mehr als 10 Jahren, grenzt für mich schon sehr Stark an Idiotie und nicht mehr nur an Ignoranz. Ich habe die Debatte des Bundestags mit verfolgt. Zu sehen wie Frau Merkel auf Frauen ihrer eigenen Partei einredet, um sie Mundtot zu machen, hat mich sehr schockiert.
Der Kommentar von Andrea Schiele: „Super Idee, man hält etwas für richtig und nimmt es 7 Jahre später ins Wahlprogramm auf - sehr schlüssig.“ trifft dieses groteske Verhalten voll und ganz.
Aber das Thema Gleichstellung ist nichts neues und dies war auch nicht die erste Debatte zu diesem Thema und doch scheinen noch immer 320 Menschen im Bundestag nicht bereit zu sein, Frauen den Platz zuzugestehen den sie verdienen. Die einzige die sich aus der aus der Schwarz-Gelben Koalition, dem entgegen gestellt hat, ist Sibylle Laurischk (FDP MdB). Sie hat den Mut aufgebracht für eine gesetzliche Frauenquote in Führungspositionen zu stimmen – Hut ab!
Aber auch in der Bevölkerung gibt es einige Kritiker und Kritikerinnen bei der Frauenquote oder Quoten allgemein. Einige halten Quoten für totalen Blödsinn, da keinerlei Gleichheit geschaffen wird. Durch sie wird nur wieder zwischen den Geschlechter unterscheiden. Gerade deshalb sei die Quote kontraproduktiv, sexistisch und würde gegen die Emanzipation arbeiten.

Also für alle warum brauchen wir die Quote:

  1. Ohne Gleichstellung gibt es keinen Fortschritt“(Caren Marks SPD MdB). Das Auswärtige Amt warnt vor Wettbewerbsnachteilen für Deutschland, wenn nicht mehr Frauen in Spitzenpositionen gelangen. D.h. Frauen in Spitzenpositionen sorgen für einen Wettbewerbsvorteil in der Wirtschaft, wenn das nicht mal ein Argument für unseren konservativen Mitmenschen ist. – Deshalb brauchen wir die Quote!
  2. Die kürzlich verstorbene Margaret Thatcher sagte einst : „Wollen Sie etwas gesagt haben, so fragen Sie einen Mann. Wollen Sie etwas getan haben, so fragen Sie eine Frau“. Wie Stella Kirgiane-Efremidis sagt „es trifft genau ins schwarze!“. Damit Frauen die Möglichkeit bekommen etwas zu ändern.- Deshalb brauchen wir die Quote!
  3. Mit Flexi-Quote bekommt man Frauen wie Kristina Schröder mit verbindlicher Quote bekommt man Qualität! - Die einfache Formel lautet: Qualität und Quote , nicht: Qualität statt Quote!“ ( Anette Sorg) – Deshalb brauchen wir die Quote!
  4. [...], damit Frauen* nicht nur die Hälfte des Himmels und der Erde erhalten, sondern auch die Hälfte der Macht.“ (Lea, Berlin) – Deshalb brauchen wir die Quote!
  5. [...] Frauen sind überall dort wo Entscheidungen getroffen werden unterrepräsentiert. Letztlicht geht es bei der gerechten Beteiligung von Frauen um Macht. Das wissen auch die Männer. Ich bin für die Quote weil Frauen die Hälfte von Macht, Arbeit, Zeit und Geld verdienen!“(Christian Distram) – Deshalb brauchen wir eine Quote!
  6. Wir brauchen die Quote, weil wir endlich eben nicht mehr aufgrund des Geschlechts über die Qualifikation einer Person urteilen sollten. Mann-Sein ist keine Qualifikation. Für nichts“ (Merle Stöver) und „Eine Position sollte immer frei von Oberflächlichkeit sein und nur aufgrund der Persönlichen Fähigkeiten vergeben werden.“ (Arvid Habath) – Deshalb brauchen wir eine Quote!
  7. Die Statistik ist klar auf Seite der jungen Frauen - diese erbringen im Schnitt bessere Leistungen an Schulen und Hochschulen als ihre männlichen Kollegen. Doch in den Spitzengagen von Wirtschaft und Gesellschaft sind Frauen immer noch eine rare Spezies. Männerbündische Treuevorstellungen und eine konservativ geprägte Gesellschaft wirken wie ein unbezwingbares Bollwerk - da freiwillige Bemühungen offensichtlich wirkungslos waren, muss nun ein gesetzlicher Mechanismus einen Prozess gesellschaftlichen Wandels herbeiführen. Die Frauenquote ist nicht nur fair, sondern wird enormes Potential nutzbar machen - davon profitieren wir alle!“ (Svenja Frieß) – Deshalb brauchen wir die Quote!

Zum Schluss wir sind „Für die Quote- damit wir sie nicht mehr brauchen!“ (Kübra Gümüsay)


Donnerstag, 4. April 2013

Pokern mit hohem Einsatz

Von Florian Burkhardt

Ich muss gestehen, dass ich bis gestern Morgen die Eskalationen auf der koreanischen Halbinsel nicht wirklich ernst genommen habe. Die Drohungen und vor allem die Erklärung des Kriegszustandes erinnerten mich an das Sprichwort: „Hunde, die bellen, beißen nicht.“ Es war das übliche Muskelspiel, dass der Norden betrieb, um auf sich aufmerksam zu machen. In meinen Augen und in denen der meisten Kommentatoren weltweit bluffte Nordkorea.

Bis gestern Morgen waren es nämlich nur Drohungen, juristische Spitzfindigkeiten und das Abbrechen von Kommunikation, alles Schritte, die Nordkorea schon früher unternommen hatte. Keine dieser Maßnahmen hatte wirklich negative Folgen für den Norden, was nicht darauf schließen ließ, dass man es in Pyongyang wirklich ernst meinte. Allerdings wurde heute morgen der Industriekomplex Kaesong geschlossen, und sich damit das erste mal selbst geschadet. Der von beiden Koreas betriebene Komplex lieferte dem Norden wichtige Devisen.

Nun also steht dieser so wichtige Komplex seit gestern morgen vor dem Aus. Und mit ihm wie gesagt meine Gewissheit, dass das fragile Gleichgewicht auf der koreanischen Halbinsel die Entwicklungen seit Dezember schon unbeschädigt überstehen wird. Jetzt jedoch, wo klar wird, dass Nordkorea nicht ausschließlich blufft, drängt sich die Befürchtung auf, dass ein Krieg so nah ist, wie schon seit dem Bombardement der Insel Yeonpyeong 2010 nicht mehr.

Die Unsicherheit, vor der ich jetzt stehe, lässt sich auf mangelndes Wissen zurückführen. Niemand weiß zu 100%, was in diesem Land vor sich geht. Niemand weiß zu 100%, was sich Nordkorea von diesem Verhalten erhofft. Es ist unklar, wer wirklich die Macht innehat und es ist unklar, wie weit das Nuklearprogramm ist. Das Einzige was klar scheint, ist die Überlegenheit von Südkorea und den Amerikanern.

Schon zweimal habe ich hier Pokerbegriffe verwendet. Und gleichwohl mir klar ist, worum es hier geht, möchte ich die Metapher ausführen, um klarzustellen, wie sich mir die Situation darstellt: Da wird um einen verdammt hohen Einsatz gepokert, nämlich unzählige Menschenleben und der Norden treibt den Einsatz immer höher. Dabei weiß der Westen nicht, was die Diktatur der Kims auf der Hand hat und wie weit sie wirklich gehen wird. Und jetzt stellt sich die Frage: Blufft Kim Jon Un nur? Oder geht er wirklich so weit?

Dahinter wiederum steckt die Frage, ob Nordkorea wirklich zurechnungsfähig ist. Haben wir es mit einem riskant, aber rational handelnden Diktator zu tun, oder ist der Herr von Pyongyang ein „Irrer mit der Bombe?“ Entsprechend schwer ist es ein abschließendes Fazit zu ziehen. Bislang war ich wie bereits gesagt auf der Seite der Beschwichtiger. Aber nun? Nun da Nordkorea wohl bereit ist deutlich mehr aufs Spiel zu setzen, bin ich mir nicht mehr sicher, ob der Waffenstillstand auf der koreanischen Halbinsel noch zu halten ist. Währenddessen setzt Nordkorea mit jedem Tag die Einsätze hoch. Aktuell bräuchte es wohl nur einen Funken um das Pulverfass zu entzünden. Und dann wird aus dem Bluff ganz schnell bitterer Ernst.

Samstag, 23. März 2013

1933 - 2013 „Machtergreifung“ Teil III

Von Florian Burkhardt

Es gibt nur drei Ereignisse in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie auf die wirklich jeder Sozialdemokrat stolz sein kann, egal aus welchem Flügel er kommt. Das wäre zum einen die eindrucksvolle Geste des Kniefalls von Warschau. Zweitens die Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann, als sich die SPD hinter eine Revolution stellte um damit die erste deutsche Republik zu gründen.

Und das dritte ist die Rede von Otto Wels vor dem Reichstag am 23. März 1933, mit dem die Sozialdemokratie zum Ausdruck brachte, dass sie egal wie groß die Gefahr ist hinter Ideen steht, „die ewig und unzerstörbar sind .“

Man mag mir also verzeihen wenn ich im folgenden etwas ins Pathetische abrutsche. Aber als Nicht-Sozialdemokrat muss der Leser das verstehen: Der 23. März 1933 ist einer der dunkelsten Tage in der deutschen Geschichte und doch zugleich einer der hellsten in der Geschichte der SPD, weil man sich mutig der Diktatur entgegen gestellt hat und zwar als einzige Partei. Die Liberalen und die Konservativen sind vor Hitler eingeknickt, Männer wie Theodor Heuss, Ernst Lemmer und Reinhold Maier stimmten für die Abschaffung der Demokratie. 

Natürlich kann man das verstehen wenn man sich die Krolloper, wo der Reichstag seit dem Brand Ende Februar tagte, ansieht: Umstellt von SA und SS, die Kampflieder skandieren. Das Parlament deutlich reduziert, so wurden die KPD-Abgeordneten schon festgenommen und auch in den Reihen der SPD hatte es Festnahmen und Übergriffe gegeben. Hitler, das erste Mal im Reichstag, erschien im SA-Braunhemd und drohte während seiner Rede offen: „Mögen Sie, meine Herren Abgeordneten, nunmehr selbst die Entscheidung treffen über Frieden oder Krieg.“

Als der Zentrumsvorsitzende Ludwig Kaas das Ja der bürgerlichen Parteien verkündete, war eigentlich schon klar, dass die 2/3-Mehrheit erreicht war. Otto Wels, der Vorsitzende der SPD, der das Nein der Fraktion begründen sollte, stand vor vollendeten Tatsachen und ihm muss klar gewesen sein, dass er das Gesetz nicht mehr verhindern konnte. Er hielt trotzdem eine der berühmtesten deutschen Parlamentsreden, die gemeinhin den Titel trägt, die „letzte freie Rede im Reichstag“ zu sein. Zwei Stellen aus dieser Rede möchte ich an dieser Stelle zitieren, da sei zum einen das offene Bekenntnis zum Widerstand mit den Worten: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“  Womit Wels ganz klar machte, dass die SPD nicht vor den Nazis einknicken würde.

Und zum anderen die Aussage: „Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.“ Dieses klare Bekenntnis zu demokratischen Grundwerten im Angesicht von Diktatur und Terror sind, meiner Meinung nach, die mutigsten Worte, die je in einem deutschen Parlament gesprochen wurden. 

Das Ermächtigungsgesetz verhindern konnte die SPD dennoch nicht. In den folgenden Monaten wurde mit den Vollmachten, die das Gesetz gewährte Länder, Medien, Gewerkschaften und staatliche Organisationen "gleichgeschaltet" und oppositionelle Parteien verboten, so auch am 22. Juni die SPD. Der Parteivorstand floh da bereits ins Exil und organisierte von dort aus den Widerstand, während Sozialdemokraten in Deutschland aktiven gegen das NS-Regime kämpften. Auch deshalb gehörten Sozialdemokraten zu den ersten verfolgten Gruppierungen im "Dritten Reich." Manch einer wie Kurt Schumacher verbrachte die fast die gesamte NS-Zeit in den neuen Konzentrationslagern, viele andere Genossinnen und Genossen sollten das nicht überleben.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben die verfassungsrechtlichen Fehler Weimars bei der Erarbeitung des Grundgesetzes bedacht, unter der Federführung des Sozialdemokraten Carlo Schmid wurde eine wehrhaftere Verfassung geschaffen, eine in der Grundrechte und demokratische Prinzipien unantastbar wurden.

Das Ermächtigungsgesetz und Otto Wels Rede sind noch heute ein Mahnmal für Freiheit und Demokratie. Sie zeigen uns die Wichtigkeit von Wehrhaftigkeit und Widerstand gegen Intoleranz, Diktatur und Faschismus. Auch 80 Jahre später ist dieser 23. März ein Symbol dafür Feinden der Demokratie auch in Zeiten, wo es aussichtslos erscheint, nicht nachzugeben.

Sonntag, 3. März 2013

Eine Frage der Gerechtigkeit!

Von Florian Burkhardt

Rein von meiner Familienplanung bin ich ein wirklich erschreckend biederer Mensch. Ich will später einmal im Speckgürtel einer Großstadt leben, am allerbesten im Eigenheim, mit einem guten Menschen verheiratet und am zwei oder mehr Kinder. Wenn ich ehrlich bin, schwirren mir schon so ein paar Namen durch den Kopf.

Rein von der Planung her bin ich der Traum eines jeden Konservativen.

Das kleine Problem: Als Homosexueller wäre mein Partner ein Mann. Und damit wird aus meinem feuchten Traum jedes Konservativen so was wie einer der apokalyptischen Reiter des Untergangs des Abendlandes. Zusammen mit der Frauenquote und dem Mindestlohn. Allein durch die Tatsache, dass mein Partner das gleiche Geschlecht hat, wie ich ändert alles.

Dabei ist Deutschland so etwas wie eine der letzten Bastionen im Kampf gegen dieses “linksextreme Hippiegetue“. Allein in Europa ist die Liste schon ziemlich lang: die Niederlande, Belgien, Spanien (!), Norwegen, Schweden, Island, Dänemark und nun auch bald Frankreich und Großbritannien. Man könnte also sagen: Deutschland hinkt hinterher.

Dabei ist die Sache an sich eine relativ simple: Homosexuelle Paare fordern für sich nur genau die gleiche staatliche Anerkennung, wie sie auch heterosexuellen Paaren zugutekommt. Sie fordern die gleiche steuerliche Gleichbehandlung wie sie auch heterosexuellen Paaren zugutekommt. Und sie fordern für sich das Recht Kinder zu adoptieren, wie es auch heterosexuellen Paaren dürfen.

Mit keinem Wort wird in der Verfassung dieser Republik gesagt, dass die Ehe nur zwischen Mann und Frau existiert. Dass die Ehe unter einem besonderen Schutz steht, dass wird in der Verfassung geäußert. Und daran will auch niemand rütteln. Aber Ehe ist so viel mehr als nur die konservative Mann-Frau-Beziehung. Die Ehe ist – zumindest in meinen Augen – das Ja-Sagen zu einem langen und monogamen Leben in Liebe miteinander. Und genau das sollte nicht nur, sondern muss in einer modernen Demokratie auch homosexuellen Paaren zustehen. Alles andere ist Diskriminierung.

Weil man wird zwar toleriert. Aber was hat man den von dieser Toleranz? Einer Toleranz, die sagt, dass man zwar tun und lassen darf, was man will, aber bloß nicht erwarten soll, dass die Mehrheit das für gut befindet? Steht hinter dieser „Toleranz“ nicht einfach nur der Glaube, dass Homosexualität etwas Falsches ist, was man aber aus Sachzwängen erträgt, weil man halt muss? Aber das ist eben das Problem: An Homosexualität ist nichts falsch, sie ist nicht weniger, als heterosexuelle Liebe. Darum ist das hier auch keine Frage der Toleranz. Sondern eine der Gerechtigkeit. Es ist ungerecht die Liebe zwischen zwei Menschen wegen eines Umstandes herabzusetzen, der zum einen nicht gefährlich oder gar falsch ist und zum anderen niemandem schadet. Heterosexuellen Paaren geht nichts verloren, wenn die Ehe geöffnet wird. Und auch der Ehe geht nichts verloren, wenn sie als Institution im 21. Jahrhundert ankommt. Das Bundesverfassungsgericht hat das erkannt. Die SPD, die Grünen, die Linke, die FDP, sogar Teile der Union haben es erkannt. Laut Umfragen hat es ein Großteil der Bevölkerung erkannt. Und doch: Die Diskriminierung besteht weiter.

Ein heterosexueller Kommilitone von mir schrieb in dieser Woche in seinem Blog, man müsse differenzieren zwischen dem Menschen und der Homosexualität. Dass es nicht zu erdulden sei, wenn ein Mensch wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgt wird, aber dass die Homosexualität und ihr Ausleben nicht privilegiert werden sollten. Und ein weiterer Kommilitone meinte zu mir ich müsse damit eben leben. Ich könne nicht „mit einem Bein in China und mit dem anderen in Timbuktu stehen“ und müsste mich ergo entscheiden.

Beide begehen sie den gleichen Fehler: Sie denken hinter der Homosexualität stehe eine Entscheidung. Dass man genauso homosexuell wird, wie man sich für einen neuen Haarschnitt entscheidet. Aber das ist einfach nicht richtig. Man wird nicht zum Homosexuellen, man ist es einfach. Das kann ich nicht einfach abstellen. Und so geht es Tausenden Menschen. Und vielleicht geht es von diesen Tausenden nur einigen wenigen so, dass sie sich Kinder wünschen. Aber eine Gerechtigkeitsfrage lässt sich nicht mit Argumenten der Quantifikation entkräften. Eine Gerechtigkeitsfrage ist immer eine Prinzipienfrage. Es gibt hier eine Minderheit, der der Staat Rechte vorenthält. Das Recht auf eine Ehe, das Recht auf eine Familie, das Recht auf Kinder. Eine Demokratie sollte keine Privilegien aufgrund von Geschlecht verteilen, aber genau das ist hier der Fall. Und das finde ich ist nichts anderes als Diskriminierung.

Es gibt mehr als genug Studien, die beweisen, dass es Kindern nicht schadet, wenn sie in einer Regenbogenfamilie aufwachsen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt der Bundesregierung wieder einen Tritt in den Hintern verpasst, damit sie sich bewegt. Wieder wird Schwarz-Gelb dem widerwillig nachkommen. Und bis zum nächsten Urteil wird sich wieder nichts tun. Aber die Zeit drängt: Denn hinter den Homosexuellen gibt es noch andere drängende Fragen: Wie umgehen mit anderen queeren Gruppen, zum Beispiel dem Thema Transgender und Ähnlichem? Wie gehen wir mit Pansexuellen um oder polyamor lebenden Menschen? Was machen wir mit Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen?

Unsere Gesellschaft ist viel differenzierter und pluralistischer als wir uns das vorstellen können. Egal wie die Mehrheit tickt, eine jede Minderheit hat Rechte. Und wir als Gesellschaft müssen lernen mit diesen umzugehen. Da hat die Union eine ganze Menge nachzuholen, aber auch in der SPD müssen wir unseren Blick auf gesellschaftliche Realitäten verfeinern. Denn nur, wenn wir diese im Blick behalten können wir den Anspruch beibehalten, für Gerechtigkeit zu stehen. Und zwar für Gerechtigkeit für alle Menschen.

Donnerstag, 28. Februar 2013

1933 - 2013 "Machtübernahme" Teil II

Von Florian Burkhardt

In der Nacht des 27. Februar brennt der Reichstag in Berlin. Der Täter ist von der Hauspolizei, die im Gebäude nach Brandherden sucht, schnell gefunden: Martinus van der Lubbe, ein 24-jähriger Kommunist aus den Niederlanden, der auf die Frage nach seinem Motiv: „Protest, Protest“, gesagt haben soll.

Der Regierung Hitler-Papen ist schnell klar, was sich hier für eine Gelegenheit bietet. Und so wird aus der Einzeltat der „Beginn eines Kommunistischen Aufstandes“ und ein „Attentat der Kommune.“ Noch in der selben Nacht geht per Funk an die preußischen Polizeibehörden der Befehl Oppositionelle zu verhaften, die mit dem Anschlag in Verbindung gebracht werden. Dass diese Listen schon lange vorbereitet sind, ist ein weiteres Beispiel für die Skrupellosigkeit der Nazis. In den Stunden werden in ganz Berlin und im Freistaat Preußen Hunderte Oppositionelle festgenommen, größtenteils kommunistische Funktionäre, aber auch Pazifisten, Journalisten, Sozialdemokraten und weitere Regimegegner. Einige bekanntere Namen darunter sind der spätere Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky und der Reporter Egon Erwin Kisch. Berthold Brecht entgeht der Verhaftung nur durch den Gang ins Prager Exil.

Am folgenden Morgen ist Berlin schon ein Stückchen mehr in die Diktatur gerutscht: Auf den Straßen patrouillieren Polizisten mit SA und SS. In der Willhelmstraße, wo die meisten Regierungsinstitutionen ihren Sitz hatten, wurde mit schussbereiten Gewehren Wache gestanden, ebenso vor dem Bendlerblock, dem Sitz des Reichswehrministeriums.

Am 28. Februar schließlich ergeht nach Bitten von Reichskanzler Hitler aus dem Reichspräsidentenpalais die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“, die jedoch noch in dieser Zeit den Namen Reichstagsbrandverordnung erhielt. Sie erklärte de facto den Zivilen Notstand – wieder aufgrund der „kommunistischen Gefahr“ - und schränkte massiv die Grundrechte ein. Und aufgrund der ungenauen Formulierung „bis auf weiteres“ sollte die Reichstagsbrandverordnung bis zum Ende des „Dritten Reiches“ in Kraft sein. Sie legte in Paragraph 3 zusätzlich den Keim für die Gleichschaltung der Länder, wie sie in den folgenden Wochen geschehen sollte.

Man muss sich zusätzlich in Erinnerung rufen, dass das Deutsche Reich sich mitten im Wahlkampf befand. Hitler hatte die Auflösung des Reichstags zur Bedingung gemacht und am 5. März sollte gewählt werden. Unter diesen Umständen Wahlkampf zu machen, war vor allem für Sozialdemokraten und Kommunisten lebensgefährlich. So überrascht das Ergebnis dann am Ende doch: Das Zentrum gewinnt dazu, die KPD verliert „nur“ 19 Sitze und die Sozialdemokratie nur 1 Mandat. Hitler hat die angestrebte absolute Mehrheit klar verfehlt. Und so wird es einen weiteren Schritt brauchen um die Diktatur endgültig zu festigen.

Die Tat von Marinus van der Lubbe schlussendlich erregt noch in dieser Zeit den Verdacht der Öffentlichkeit. Der Verdacht die Nazis hätten den Reichstag selbst angezündet, drängte sich quasi auf, so titelte das „Hamburger Echo“ am 28. Februar: „Was steckt dahinter?“ Prompt wurde es für zwei Wochen verboten. Es ist bist heute nicht geklärt wer wirklich hinter dem Brand steckt, das einzige was man ausschließen kann, ist die These der kommunistischen Verschwörung. Aber ob nun Nationalsozialisten oder van der Lubbe das Gebäude angesteckt haben, wird wohl nie wirklich geklärt werden. Ich persönlich gehe von der Einzeltäterschaft aus, ohne irgendetwas relativieren zu wollen. An den Folgen oder der Perfidität der nationalsozialistischen Nutzung der Ereignisse vom 27. Januar ändert das jedoch nichts: Der Reichstagsbrand ist einer der wichtigsten Steine im Fundament der Diktatur.