Sonntag, 24. November 2013

Die überraschte Union. Oder: Warum eine grosse Koalition die CDU vor Herausforderungen stellt

Von Robin Voss

Lange hat sich der Rotstift Blog um eine Einschätzung zu den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU verwehrt. Jan Hambach hatte am 7.10. seine Einschätzungen zu den Koalitionsmöglichkeiten abgegeben. Aber eine Einschätzung zur GroKo haben wir/ich euch lange vorenthalten.
Lange zu Recht. Lange war nicht klar, wie die Standpunkte aussehen werden, lange war eine Einschätzung, über die Ausgangslage zum Mitgliederentscheid unklar.
Bis zum Bundesparteitag vergangenes Wochenende.
Die SPD-Basis wird einem Koalitionsvertrag mit der CDU nicht zustimmen. Nur unter einer Bedingung: Kernforderungen der SPD aus dem Wahlkampf werden umgesetzt. Und die CDU hat dies massivst unterschätzt.
Die CDU ging davon aus, dass ein Mitgliedervotum der SPD ein Klacks wird. Vielleicht hat das sogar Sigmar Gabriel gedacht. Oder – und das ist die wahrscheinlichere Variante – hat er das Mitgliedervotum heraufbeschwört um den Verhandlungsstandpunkt der SPD in den Koalitionsverhandlungen zu stärken. Der CDU war das nicht bewusst, bis die Bundesparteitagsdelegierten die SPD-Spitze in aberwitzigen Abstimmungen abgestraft haben. Die CDU ist ein Kanzlerwahlverein, ihr ist dieses Vorgehen nicht bekannt. Ihr war nicht bewusst, dass Sozialdemokraten an der Basis mit der CDU nichts anfangen können. Angela Merkel war im Wahlkampf, mit ihrer indirekten Aussprache für die grosse Koalition, mit der sie gute Erfahrungen gemacht haben muss - inhaltlich wie personell – nicht bewusst, dass die SPD-Basis diese Konstellation meidet wie der Teufel das Weihwasser. Was kommt dabei raus?
Die CDU lässt sich harte Standpunkte abringen. Frauenquote, Mindestlohn. Etc pp. Die Bildzeitung, in guter alter Fussballmarnier, zählt 10:2 für die SPD. Bei 14% Rückstand. Autsch.
Das bittere: Dem Sozialdemokraten aus Rangendingen, Rottenburg oder Münster interessiert das nicht. Ihn interessiert, was im 100 Tage-Programm stand.
Nach dem Bundesparteitag, mit besagten wahnwitzigen Wahlergebnissen, kriegt die CDU Torschusspanik. Gröhe und Konsorten sind davon ausgegangen, dass sie ihre Inhalte zum Nulltarif umgesetzt bekommen. Ätschbätsch. Dem ist nicht so. Aber auch die SPD kriegt ihre Standpunkte nicht zu 100% umgesetzt. Und genau das verärgert die Genossen aus Rangendingen, Rottenburg oder Münster, die Genossen an der Basis. SPD-Mitglieder lesen den Koalitionsvertrag nicht mit dem Gedanken „Jetzt schau ich mal was alles drinsteht“ sondern mit den Worten „Jetzt schauen wir mal was alles drinstehen könnte, wenn Peer Kanzler geworden wäre“. Und das killt die Koalitionsverhandlungen.
Bisher bin ich unzufrieden. Als aufgeschlossener Mensch warte ich den Koalitionsvertrag ab und werde erst mein endgültiges Urteil fällen, wenn der Koalitionsvertrag vorliegt. Aber ich gehe davon aus, dass ich dagegen stimmen werde. Ein Zitat von Regine Hildebrandt („Mit den Arschlöchern koaliere ich nicht.“) liegt mir fern, aber eine Koalition mit dem erklärten politischen Gegner lehne ich zunächst ab, da ich die Unterschiede als zu groß einschätze. Die CDU von Angela Merkel verkörpert für mich den politischen Stillstand der Bundesrepublik. Ich will weitergehen, ich will eine Wirtschaftspolitik, die Deutschland stärkt, aber nicht auf Kosten unserer europäischen Freunde. Ich will gerechte Löhne für meine Kollegen in der Fertigung. Ich will Gleichberechtigung meiner homosexuellen Freunde. Ich will die doppelte Staatsbürgerschaft für meine ausländischen Mitbürger. Ich will eine faire Rentenpolitik für die Älteren. Ich will eine gute Pflege für die Bedürftigen unserer Gesellschaft. Und ich will eine gute Gesundheitsverpflegung für alle Mitbewohner der Bundesrepublik. Kurz: Ich will ein progressives Deutschland.
Wenn die CDU dies meiner Partei in den Koalitionsverhandlungen gewährt stimme ich dem Koalitionsvertrag zu.
Wir hören voneinander im Dezember, dann werde ich euch mitteilen wie ich und die restliche SPD-Basis abgestimmt hat. Freut euch darauf.