Von Robin Voss
Lange hat sich der Rotstift Blog um
eine Einschätzung zu den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und
CDU verwehrt. Jan Hambach hatte am 7.10. seine Einschätzungen zu den
Koalitionsmöglichkeiten abgegeben. Aber eine Einschätzung zur GroKo
haben wir/ich euch lange vorenthalten.
Lange zu Recht.
Lange war nicht klar, wie die Standpunkte aussehen werden, lange war
eine Einschätzung, über die Ausgangslage zum Mitgliederentscheid
unklar.
Bis zum Bundesparteitag vergangenes
Wochenende.
Die SPD-Basis wird einem
Koalitionsvertrag mit der CDU nicht zustimmen. Nur unter einer
Bedingung: Kernforderungen der SPD aus dem Wahlkampf werden
umgesetzt. Und die CDU hat dies massivst unterschätzt.
Die CDU ging davon aus, dass ein
Mitgliedervotum der SPD ein Klacks wird. Vielleicht hat das sogar
Sigmar Gabriel gedacht. Oder – und das ist die wahrscheinlichere
Variante – hat er das Mitgliedervotum heraufbeschwört um den
Verhandlungsstandpunkt der SPD in den Koalitionsverhandlungen zu
stärken. Der CDU war das nicht bewusst, bis die
Bundesparteitagsdelegierten die SPD-Spitze in aberwitzigen
Abstimmungen abgestraft haben. Die CDU ist ein Kanzlerwahlverein, ihr
ist dieses Vorgehen nicht bekannt. Ihr war nicht bewusst, dass
Sozialdemokraten an der Basis mit der CDU nichts anfangen können.
Angela Merkel war im Wahlkampf, mit ihrer indirekten Aussprache für
die grosse Koalition, mit der sie gute Erfahrungen gemacht haben muss
- inhaltlich wie personell – nicht bewusst, dass die SPD-Basis
diese Konstellation meidet wie der Teufel das Weihwasser. Was kommt
dabei raus?
Die CDU lässt sich harte Standpunkte
abringen. Frauenquote, Mindestlohn. Etc pp. Die Bildzeitung, in guter
alter Fussballmarnier, zählt 10:2 für die SPD. Bei 14% Rückstand.
Autsch.
Das bittere: Dem Sozialdemokraten aus
Rangendingen, Rottenburg oder Münster interessiert das nicht. Ihn
interessiert, was im 100 Tage-Programm stand.
Nach dem Bundesparteitag, mit besagten
wahnwitzigen Wahlergebnissen, kriegt die CDU Torschusspanik. Gröhe
und Konsorten sind davon ausgegangen, dass sie ihre Inhalte zum
Nulltarif umgesetzt bekommen. Ätschbätsch. Dem ist nicht so. Aber
auch die SPD kriegt ihre Standpunkte nicht zu 100% umgesetzt. Und
genau das verärgert die Genossen aus Rangendingen, Rottenburg oder
Münster, die Genossen an der Basis. SPD-Mitglieder lesen den
Koalitionsvertrag nicht mit dem Gedanken „Jetzt schau ich mal was
alles drinsteht“ sondern mit den Worten „Jetzt schauen wir mal
was alles drinstehen könnte, wenn Peer Kanzler geworden wäre“.
Und das killt die Koalitionsverhandlungen.
Bisher bin ich unzufrieden. Als
aufgeschlossener Mensch warte ich den Koalitionsvertrag ab und werde
erst mein endgültiges Urteil fällen, wenn der Koalitionsvertrag
vorliegt. Aber ich gehe davon aus, dass ich dagegen stimmen werde.
Ein Zitat von Regine Hildebrandt („Mit den Arschlöchern koaliere
ich nicht.“) liegt mir fern, aber eine Koalition mit dem erklärten
politischen Gegner lehne ich zunächst ab, da ich die Unterschiede
als zu groß einschätze. Die CDU von Angela Merkel verkörpert für
mich den politischen Stillstand der Bundesrepublik. Ich will
weitergehen, ich will eine Wirtschaftspolitik, die Deutschland
stärkt, aber nicht auf Kosten unserer europäischen Freunde. Ich
will gerechte Löhne für meine Kollegen in der Fertigung. Ich will
Gleichberechtigung meiner homosexuellen Freunde. Ich will die
doppelte Staatsbürgerschaft für meine ausländischen Mitbürger.
Ich will eine faire Rentenpolitik für die Älteren. Ich will eine
gute Pflege für die Bedürftigen unserer Gesellschaft. Und ich will
eine gute Gesundheitsverpflegung für alle Mitbewohner der
Bundesrepublik. Kurz: Ich will ein progressives Deutschland.
Wenn die CDU dies meiner Partei in den
Koalitionsverhandlungen gewährt stimme ich dem Koalitionsvertrag zu.
Wir hören voneinander im Dezember,
dann werde ich euch mitteilen wie ich und die restliche SPD-Basis
abgestimmt hat. Freut euch darauf.