Freitag, 14. Juni 2013

Die verstrittene SPD - eine Fehleinschätzung.

Von Robin Voss

Die SPD wird oft in den Medien stark kritisiert: Unser Kanzlerkandidat sei unglaubwürdig, sein Kompetenzteam sei reiner Parteiproporz, Steinbrück habe das verloren, was ihn ausmachte: Seine (selbstsogenannte) Beinfreiheit. Die SPD wäre verstritten, handlungsunfähig, nicht in der Lage eine Regierung zu führen.

Diese Aussage halte ich für ausgemachten Blödsinn. 

Wir stehen geschlossen zusammen. Selbst Partei-Linke stehen hinter unserem Kandidaten. Unser Programm gibt die richtigen Antworten. Diese sind sogar so gut, dass die CDU sie übernimmt. Darauf kann man stolz sein! Eigentlich kann man die Christdemokraten nur beglückwünschen, dass sie Einsicht zeigen. Doch das Original gibt es nur bei uns.

Das Kompetenzteam ist gut. Mit Karl Lauterbach und Manuela Schwesig hat Steinbrück eine großartige Wahl getroffen, der Zwist mit dem Agendakritiker Wiesehügel ist von den Medien ausgedacht. Ich kenne die SPD nur als die Partei, die über jeden Punkt hart ringt und immer streitet. Aber an Konferenzparties wird dennoch miteinander ein Bier getrunken und gelacht. Fair im Umgang miteinander, hart in den Debatten um Inhalte. So muss das sein.

Ich bin erst seit 1. Oktober 2010 Mitglied der SPD, deswegen sind meine Einschätzungen hier rein subjektiv. Ich weiss nicht wie die Lage der Partei vor diesem Zeitpunkt war, dennoch glaube ich aus der jüngsten Parteigeschichte eines herauslesen zu können: Wenn man sich ansieht, wie die SPD nach der Wahl"niederlage" 2005 (welche eigentlich eine Wahlniederlage der Grünen war) sich verhalten hat, dann ist eines ersichtlich: Es war die Zeit, in der man nach der Ära Schröder nach sich selbst suchen musste. Das macht den Wechsel der Parteivorsitzenden deutlich (Müntefering, Platzeck, Beck, wieder Müntefering und schlussendlich Sigmar Gabriel in 5 Jahren), genauso wie bei den Generalsekretären (Müntefering, Scholz, Benneter, Heil und schlussendlich Nahles in 10 Jahren, davon haben Scholz und Benneter nicht einmal 2 Jahre durchgehalten).

Oft tut man in der Regierung Dinge, für die man nicht gewählt wurde: De Gaulle entlässt Algerien in die Autonomie, Mitterand privatisiert die französischen Staatsunternehmen, die Grünen unter Bundesaussenminister Joseph Fischer ziehen in den Krieg (immerhin ist diese Partei aus der Friedensbewegung entstanden!) und ein sozialdemokratischer Kanzler reformiert den Sozialstaat hin zu mehr Eigenverantwortung. Und genau diesen letzten Punkt, den musste die Partei verarbeiten. Doch diese Zeit ist überwunden.

Meine SPD bekennt sich zur Agenda. Aber sie hat Baufehler, die nun korrigiert werden müssen: Regulierung der Leih- und Zeitarbeit, Mindestlohn, Nachbesserungen im Rentenkonzept. Diese Nachbesserungen gibt es nicht mit der Politikverwaltung um Angela Merkel. Schwarz-Gelb ist die größte NGO Deutschlands.

Steinbrück war gestern bei Maybrit Illner. Die wollte ihm erklären, dass er alle seine alten Standpunkte über den Haufen geworfen hat und nun ein Programm vertrete, für das er nicht steht. Was ein Blödsinn. Steinbrück merkte nicht nur einmal an, dass die Darstellung unfair war und auch wenn das weinerlich klingt: Er hatte Recht! Egal, wie man zur Agenda steht, eines kann man nicht von der Hand weisen, man muss nachbessern, und das geht nur mit einer starken Sozialdemokratie, weil wir selbst kritisch mit dieser Zeit umgegangen sind, die Baufehler im System erkannt haben und es ändern möchten. Genau das weiss auch Peer Steinbrück. Was heute richtig ist muss morgen kritisch beäugt werden. In der Arbeits-, Finanz- und Wirtschaftspolitik gibt es kein schwarz und kein weiss, kein Richtig, kein Falsch, es gibt viele Graustufen. Jede Veränderung führt zu Konsequenzen, jede Entscheidung wird zu Positivem und Negativem führen. Und das Negative gehört ausgemerzt. Das Negative gehört nachgebessert. Das Negative muss zum Positiven werden.

Unter Sigmar Gabriel haben wir wieder Stärke gewonnen. Dieser Mann hat mit Entschlossenheit für Stabilität in der Partei gesorgt. Gabriel ist wohl der beste Parteivorsitzende den wir seit Hans-Jochen Vogel hatten. Wie kein anderer arbeitet er für den Erfolg der Sozialdemokratie, wirbt dafür in der Gesellschaft, vertritt Beschlusslagen, auch wenn sie unbequem sind (Stichwort Tempolimit).
Jeder, der an der SPD 2013 zweifelt und eventuell Angst davor hat sie zu wählen, eine oft als verstritten gezeichnete Partei, eine Partei, welcher unterstellt wird, dass sie nicht hinter ihrem Programm, nicht hinter ihrem Kandidaten steht, wer Angst hat, diese Partei zu wählen, dem kann ich jede Angst nehmen: Die Genossin, welche bei Illner offen Kritik an Steinbrück richtete, diese Dame gehört zu einem kleinen Teil dieser Partei. Einem ganz kleinem Teil der SPD.

Wir haben wirtschaftlich stark von der Zeit der Deregulierung profitiert. Es wird Zeit hier nachzubessern. Ein soziales Deutschland gibt es nur mit einem sozialdemokratischen Kanzler. Ein soziales Deutschland geht nur mit Peer Steinbrück.

Donnerstag, 6. Juni 2013

Karlsruher Klatsche

Von Florian Burkhardt

Sollten sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts um Andreas Voßkuhle jemals auf einem CSD irgendwo in Deutschland blicken lassen, dann ist ziemlich sicher, dass sie nüchtern und ungefeiert von der Parade nicht mehr wegkommen. Denn kein deutsches Verfassungsorgan hat seit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes 2001 unter Rot-Grün so viel für die Rechte der Homosexuellen getan, wie das Bundesverfassungsgericht.

Heute Morgen haben die Karlsruher Richter erneut die Politik der Bundesregierung infrage gestellt, erneut eine Klatsche für die Union, die schon wieder aus Karlsruhe korrigiert wird. Wie ich zu diesem Beschluss des höchsten deutschen Gerichtes stehe, dürfte hinreichend bekannt sein, ansonsten empfehle ich meine anderen Beiträge zu diesem Thema auf diesem Blog.

Stattdessen möchte ich zweierlei an dieser Stelle anmerken: Zum einen, dass es eine ungeheure Peinlichkeit für eine Regierung ist, wenn das Verfassungsgericht ihr wiederholt zu einem Thema vorschreiben muss, was verfassungskonform und was verfassungswidrig ist. Hätten wir es mit einer anderen Kanzlerin als Angela „Teflon“ Merkel zu tun, wären Konsequenzen notwendig. Aber dass sich diese Kanzlerin von Verfassungs- oder logischen Zwängen in ihrer populistischen Machtpolitik nicht stoppen lässt, dürfte hinreichend bekannt sein. Inwiefern die verfassungsmäßige Ordnung durch eine solche Politik untergraben wird, ist eine andere Frage. Denn eigentlich sollte das Verfassungsgericht nur Korrektiv nicht quasi Gesetzgeber sein. Es ist kritisch zu sehen, wenn die Kanzlerin die Judikative zwingt für sie die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen.

Zweitens gilt es nun für die SPD und die anderen politischen Parteien ihren Fuß in diese Tür stecken. Jetzt ist der Zeitpunkt mit diesem Thema richtig Druck zu machen und die Regierung zu zwingen sich zu offenbaren. Die FDP muss endlich die Gretchenfrage beantworten, wie ernst es mit ihren Bekenntnissen zu den Rechten von Homosexuellen ist. Und die Union muss einen Offenbarungseid leisten: Steht sie noch immer zu einem Familienbild, das auch aus dem 19ten Jahrhundert stammen könnte? Oder ist sie doch bereit über den konservativen Tellerrand hinauszublicken und zu akzeptieren, dass die Mama-Papa-Zwei-Kinder eben nicht das perfekte Bild ist, an dem sich alle orientieren sollten?

Fakt ist und bleibt das Bundesverfassungsgericht wird diese Regierung auch nach der Bundestagswahl weiter zwingen sich der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu stellen. Die Union kann sich als einzige Partei weiter sträuben oder die Realität anerkennen. Sträubt sie sich, dann wird sich die Politik dieses Landes eben ohne die zweitgrößte Partei der Republik ändern. Dafür wird Deutschlands höchstes Gericht schon sorgen. Und um Klaus Wowereit zu zitieren: Das ist auch gut so.

Montag, 3. Juni 2013

Global Player oder lauter kleine Lichter?

Von Florian Burkhardt

„In fact, we live in a “G-3” world — one that combines U.S. military power and consumption, Chinese capital and labor, and European rules and technology.“ - Mark Leonard

Ich hatte in der vergangenen Woche das Vergnügen in Stuttgart an einer Model United Nations Konferenz teilzunehmen. Im Sicherheitsrat konnte ich – meiner Meinung nach recht erfolgreich – die Positionen und Interessen Großbritanniens vertreten. Eine Szene ist mir dabei besonders eindrücklich in Erinnerung geblieben: Der französische Delegierte sprach zum Thema Somalia davon, dass sich die EU stärker auch mit Personal in Somalia engagieren sollte. Als Großbritannien, eigentlich einer der engsten Verbündeten Frankreichs, musste ich dem widersprechen und sagte sinngemäß: „Großbritannien sieht diesen Punkt deutlich differenzierter als der Vertreter Frankreichs und wird sich weder an einer EU-Mission auf dem somalischen Festland beteiligen noch ihr zustimmen. Frankreich spricht hier nicht im Namen der EU, die EU hat zu dieser Position keine Meinung.“ Das Thema einer europäischen Mission war damit quasi erledigt.

Diese kurze Episode macht eine der größten Schwächen, die die EU hat mehr als deutlich: Gleichwohl sie der größte Wirtschaftsraum der Welt, einer der größten Entwicklungshilfegeber und eine der schlagkräftigsten Militärkomplexe der Welt ist, ist sie auf globaler Ebene ein kleines Licht. Außenpolitisch gesehen spielen die Nationalstaaten, hier vor allem zu nennen die „großen Drei“ Deutschland, Frankreich und Großbritannien, eine größere Rolle als die Union als Ganzes. Das hat verschiedene gute und weniger gute Gründe, ist jedoch zunehmend fatal. Eine der Hauptthesen dieses Textes soll deshalb sein: In Zeiten, in denen die BRICS-Staaten global an Einfluss gewinnen, ist die internationale Handlungsunfähigkeit der Union ein zunehmender Nachteil. Oder formulieren wir es so: In 15 Jahren kann die EU global in einer Liga mit China und den USA spielen oder Frankreich, Großbritannien und Deutschland können kaum mehr als kleine Lichter auf dem globalen Parkett sein. Geht man zudem davon aus, dass globale Multipolarität, wie sie gerade entsteht, Kriege und Krisen begünstigt, dann wird aus dem ersten Szenario ein geopolitisches Muss.

Zwar ist die EU heute in ihrer Handlungsfähigkeit nicht so eingeschränkt, wie das auf den ersten Blick scheinen mag, das jüngste Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo unter Moderation von Lady Ashton und die knapp 30 zivilen und militärischen EU-Missionen im Ausland sprechen für sich. Aber die Gegenbeispiele sind eben deutlich zahlreicher. Hier zu nennen sind beispielsweise das Abstimmungsverhalten als es um Palästina ging, die uneinige Haltung zur Situation in Syrien oder das bekannteste Beispiel: Das Versagen um das Finden einer gemeinsamen Position 2003 bei der Militärintervention im Irak.

Jedoch und da sind wir uns sicher alle einig, gibt es durchaus noch mehr Raum für eine außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähigere EU, wobei sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit nicht gleich militärisches Abenteuertum ist und außenpolitische Handlungsfähigkeit nicht gleich globale Großmannssucht ist, sondern vielmehr ein logischer Zwang infolge von Assymmetrierung, Globalisierung und Veränderung. Mal ganz davon abgesehen wie viel Geld man durch europäische Streitkräfte, und sei es nur durch „pooling and sharing“ sparen könnte.

Das sich die Sozialdemokratie in Deutschland für eine handlungsfähigere Union einsetzen sollte, ist meiner Ansicht nach Pflicht. Dieser Aspekt tritt durch die „Euro-Krise“ in den Hintergrund, obwohl jetzt ein wichtiger Zeitpunkt dafür ist, ehe sich das Globale Spielfeld endgültig mutlipolar verfestigt. Von daher kann es als ein positives Zeichen gesehen werden, dass Ende 2013 ein EU-Gipfel zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik stattfinden wird, auch wenn aller Voraussicht nach maximal einige kleine Schritte vorwärts gemacht werden.

Gerade die deutsche Außenpolitik, die sich stets als „eingebettet“ in die europäische Außenpolitik begriffen hat, könnte sich selbst überflüssig machen zugunsten einer europäischen Außenpolitik, oder wenn man es überspitzt formulieren will: Will die deutsche Außenpolitik ihrer Tradition bleiben muss sie sich als Vorreiter definieren. Das ist meiner Einschätzung nach einer der wichtigsten Schritte hin zu einer außenpolitisch handlungsfähigeren EU. Dass der Regierung Merkel hierfür der Mut fehlt ist selbstredend. Das ist aber nur ein weiterer Stein im Mosaik der Gründe, warum diese Regierung abgewählt gehört.