Samstag, 23. März 2013

1933 - 2013 „Machtergreifung“ Teil III

Von Florian Burkhardt

Es gibt nur drei Ereignisse in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie auf die wirklich jeder Sozialdemokrat stolz sein kann, egal aus welchem Flügel er kommt. Das wäre zum einen die eindrucksvolle Geste des Kniefalls von Warschau. Zweitens die Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann, als sich die SPD hinter eine Revolution stellte um damit die erste deutsche Republik zu gründen.

Und das dritte ist die Rede von Otto Wels vor dem Reichstag am 23. März 1933, mit dem die Sozialdemokratie zum Ausdruck brachte, dass sie egal wie groß die Gefahr ist hinter Ideen steht, „die ewig und unzerstörbar sind .“

Man mag mir also verzeihen wenn ich im folgenden etwas ins Pathetische abrutsche. Aber als Nicht-Sozialdemokrat muss der Leser das verstehen: Der 23. März 1933 ist einer der dunkelsten Tage in der deutschen Geschichte und doch zugleich einer der hellsten in der Geschichte der SPD, weil man sich mutig der Diktatur entgegen gestellt hat und zwar als einzige Partei. Die Liberalen und die Konservativen sind vor Hitler eingeknickt, Männer wie Theodor Heuss, Ernst Lemmer und Reinhold Maier stimmten für die Abschaffung der Demokratie. 

Natürlich kann man das verstehen wenn man sich die Krolloper, wo der Reichstag seit dem Brand Ende Februar tagte, ansieht: Umstellt von SA und SS, die Kampflieder skandieren. Das Parlament deutlich reduziert, so wurden die KPD-Abgeordneten schon festgenommen und auch in den Reihen der SPD hatte es Festnahmen und Übergriffe gegeben. Hitler, das erste Mal im Reichstag, erschien im SA-Braunhemd und drohte während seiner Rede offen: „Mögen Sie, meine Herren Abgeordneten, nunmehr selbst die Entscheidung treffen über Frieden oder Krieg.“

Als der Zentrumsvorsitzende Ludwig Kaas das Ja der bürgerlichen Parteien verkündete, war eigentlich schon klar, dass die 2/3-Mehrheit erreicht war. Otto Wels, der Vorsitzende der SPD, der das Nein der Fraktion begründen sollte, stand vor vollendeten Tatsachen und ihm muss klar gewesen sein, dass er das Gesetz nicht mehr verhindern konnte. Er hielt trotzdem eine der berühmtesten deutschen Parlamentsreden, die gemeinhin den Titel trägt, die „letzte freie Rede im Reichstag“ zu sein. Zwei Stellen aus dieser Rede möchte ich an dieser Stelle zitieren, da sei zum einen das offene Bekenntnis zum Widerstand mit den Worten: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“  Womit Wels ganz klar machte, dass die SPD nicht vor den Nazis einknicken würde.

Und zum anderen die Aussage: „Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten.“ Dieses klare Bekenntnis zu demokratischen Grundwerten im Angesicht von Diktatur und Terror sind, meiner Meinung nach, die mutigsten Worte, die je in einem deutschen Parlament gesprochen wurden. 

Das Ermächtigungsgesetz verhindern konnte die SPD dennoch nicht. In den folgenden Monaten wurde mit den Vollmachten, die das Gesetz gewährte Länder, Medien, Gewerkschaften und staatliche Organisationen "gleichgeschaltet" und oppositionelle Parteien verboten, so auch am 22. Juni die SPD. Der Parteivorstand floh da bereits ins Exil und organisierte von dort aus den Widerstand, während Sozialdemokraten in Deutschland aktiven gegen das NS-Regime kämpften. Auch deshalb gehörten Sozialdemokraten zu den ersten verfolgten Gruppierungen im "Dritten Reich." Manch einer wie Kurt Schumacher verbrachte die fast die gesamte NS-Zeit in den neuen Konzentrationslagern, viele andere Genossinnen und Genossen sollten das nicht überleben.

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben die verfassungsrechtlichen Fehler Weimars bei der Erarbeitung des Grundgesetzes bedacht, unter der Federführung des Sozialdemokraten Carlo Schmid wurde eine wehrhaftere Verfassung geschaffen, eine in der Grundrechte und demokratische Prinzipien unantastbar wurden.

Das Ermächtigungsgesetz und Otto Wels Rede sind noch heute ein Mahnmal für Freiheit und Demokratie. Sie zeigen uns die Wichtigkeit von Wehrhaftigkeit und Widerstand gegen Intoleranz, Diktatur und Faschismus. Auch 80 Jahre später ist dieser 23. März ein Symbol dafür Feinden der Demokratie auch in Zeiten, wo es aussichtslos erscheint, nicht nachzugeben.

Sonntag, 3. März 2013

Eine Frage der Gerechtigkeit!

Von Florian Burkhardt

Rein von meiner Familienplanung bin ich ein wirklich erschreckend biederer Mensch. Ich will später einmal im Speckgürtel einer Großstadt leben, am allerbesten im Eigenheim, mit einem guten Menschen verheiratet und am zwei oder mehr Kinder. Wenn ich ehrlich bin, schwirren mir schon so ein paar Namen durch den Kopf.

Rein von der Planung her bin ich der Traum eines jeden Konservativen.

Das kleine Problem: Als Homosexueller wäre mein Partner ein Mann. Und damit wird aus meinem feuchten Traum jedes Konservativen so was wie einer der apokalyptischen Reiter des Untergangs des Abendlandes. Zusammen mit der Frauenquote und dem Mindestlohn. Allein durch die Tatsache, dass mein Partner das gleiche Geschlecht hat, wie ich ändert alles.

Dabei ist Deutschland so etwas wie eine der letzten Bastionen im Kampf gegen dieses “linksextreme Hippiegetue“. Allein in Europa ist die Liste schon ziemlich lang: die Niederlande, Belgien, Spanien (!), Norwegen, Schweden, Island, Dänemark und nun auch bald Frankreich und Großbritannien. Man könnte also sagen: Deutschland hinkt hinterher.

Dabei ist die Sache an sich eine relativ simple: Homosexuelle Paare fordern für sich nur genau die gleiche staatliche Anerkennung, wie sie auch heterosexuellen Paaren zugutekommt. Sie fordern die gleiche steuerliche Gleichbehandlung wie sie auch heterosexuellen Paaren zugutekommt. Und sie fordern für sich das Recht Kinder zu adoptieren, wie es auch heterosexuellen Paaren dürfen.

Mit keinem Wort wird in der Verfassung dieser Republik gesagt, dass die Ehe nur zwischen Mann und Frau existiert. Dass die Ehe unter einem besonderen Schutz steht, dass wird in der Verfassung geäußert. Und daran will auch niemand rütteln. Aber Ehe ist so viel mehr als nur die konservative Mann-Frau-Beziehung. Die Ehe ist – zumindest in meinen Augen – das Ja-Sagen zu einem langen und monogamen Leben in Liebe miteinander. Und genau das sollte nicht nur, sondern muss in einer modernen Demokratie auch homosexuellen Paaren zustehen. Alles andere ist Diskriminierung.

Weil man wird zwar toleriert. Aber was hat man den von dieser Toleranz? Einer Toleranz, die sagt, dass man zwar tun und lassen darf, was man will, aber bloß nicht erwarten soll, dass die Mehrheit das für gut befindet? Steht hinter dieser „Toleranz“ nicht einfach nur der Glaube, dass Homosexualität etwas Falsches ist, was man aber aus Sachzwängen erträgt, weil man halt muss? Aber das ist eben das Problem: An Homosexualität ist nichts falsch, sie ist nicht weniger, als heterosexuelle Liebe. Darum ist das hier auch keine Frage der Toleranz. Sondern eine der Gerechtigkeit. Es ist ungerecht die Liebe zwischen zwei Menschen wegen eines Umstandes herabzusetzen, der zum einen nicht gefährlich oder gar falsch ist und zum anderen niemandem schadet. Heterosexuellen Paaren geht nichts verloren, wenn die Ehe geöffnet wird. Und auch der Ehe geht nichts verloren, wenn sie als Institution im 21. Jahrhundert ankommt. Das Bundesverfassungsgericht hat das erkannt. Die SPD, die Grünen, die Linke, die FDP, sogar Teile der Union haben es erkannt. Laut Umfragen hat es ein Großteil der Bevölkerung erkannt. Und doch: Die Diskriminierung besteht weiter.

Ein heterosexueller Kommilitone von mir schrieb in dieser Woche in seinem Blog, man müsse differenzieren zwischen dem Menschen und der Homosexualität. Dass es nicht zu erdulden sei, wenn ein Mensch wegen seiner sexuellen Orientierung verfolgt wird, aber dass die Homosexualität und ihr Ausleben nicht privilegiert werden sollten. Und ein weiterer Kommilitone meinte zu mir ich müsse damit eben leben. Ich könne nicht „mit einem Bein in China und mit dem anderen in Timbuktu stehen“ und müsste mich ergo entscheiden.

Beide begehen sie den gleichen Fehler: Sie denken hinter der Homosexualität stehe eine Entscheidung. Dass man genauso homosexuell wird, wie man sich für einen neuen Haarschnitt entscheidet. Aber das ist einfach nicht richtig. Man wird nicht zum Homosexuellen, man ist es einfach. Das kann ich nicht einfach abstellen. Und so geht es Tausenden Menschen. Und vielleicht geht es von diesen Tausenden nur einigen wenigen so, dass sie sich Kinder wünschen. Aber eine Gerechtigkeitsfrage lässt sich nicht mit Argumenten der Quantifikation entkräften. Eine Gerechtigkeitsfrage ist immer eine Prinzipienfrage. Es gibt hier eine Minderheit, der der Staat Rechte vorenthält. Das Recht auf eine Ehe, das Recht auf eine Familie, das Recht auf Kinder. Eine Demokratie sollte keine Privilegien aufgrund von Geschlecht verteilen, aber genau das ist hier der Fall. Und das finde ich ist nichts anderes als Diskriminierung.

Es gibt mehr als genug Studien, die beweisen, dass es Kindern nicht schadet, wenn sie in einer Regenbogenfamilie aufwachsen. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt der Bundesregierung wieder einen Tritt in den Hintern verpasst, damit sie sich bewegt. Wieder wird Schwarz-Gelb dem widerwillig nachkommen. Und bis zum nächsten Urteil wird sich wieder nichts tun. Aber die Zeit drängt: Denn hinter den Homosexuellen gibt es noch andere drängende Fragen: Wie umgehen mit anderen queeren Gruppen, zum Beispiel dem Thema Transgender und Ähnlichem? Wie gehen wir mit Pansexuellen um oder polyamor lebenden Menschen? Was machen wir mit Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen?

Unsere Gesellschaft ist viel differenzierter und pluralistischer als wir uns das vorstellen können. Egal wie die Mehrheit tickt, eine jede Minderheit hat Rechte. Und wir als Gesellschaft müssen lernen mit diesen umzugehen. Da hat die Union eine ganze Menge nachzuholen, aber auch in der SPD müssen wir unseren Blick auf gesellschaftliche Realitäten verfeinern. Denn nur, wenn wir diese im Blick behalten können wir den Anspruch beibehalten, für Gerechtigkeit zu stehen. Und zwar für Gerechtigkeit für alle Menschen.