Montag, 15. Juli 2013

Everywhere around the world, the data is coming to America.

Von Robin Voss

Es wird viel geschrieben zur Zeit, über Datenklau, Prism und Überwachungsstaat. Über Ed Snowden, über Bundesinnenminister Friedrich und seine lächerliche Reise nach Washington, über Angela Merkel und ihre Verschleppungstaktik (das Sommerinterview vom vergangenen Sonntag sehe ich ebenfalls als Verschleppung an).

Jakob Augstein hat heute einen guten Artikel auf Spiegel Online veröffentlicht: Über die grauenvolle Art und Weise mit der unsere Regierung mit Prism umgeht. Am Ende zieht er einen Vergleich mit Costa Concordia-Kapitän Scettino und Angela Merkel. Etwas überspitzt, aber treffend. Die einzige Ministerin, die ernsthaft empört ist, ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie verkörpert Glaubwürdigkeit (und Aufrichtigkeit: Unter Kohl ist sie bereits als Justiz-Ministerin zurückgetreten, weil sie den großen Lauschangriff nicht mittragen wollte. Eine aufrichtige Liberale.). Dummerweise hört ihr kein Mensch zu.

Was mich aber viel mehr Sorgen bereitet ist der Umgang der Amerikaner mit uns. Spielen wir mal folgendes Szenario durch:
Die USA sind unser besorgter Bündnispartner. Sie haben Angst um die deutsche Bevölkerung und wollen uns vor Terrorangriffen schützen und verstehen einfach nicht, dass wir uns nicht so gern überwachen lassen. Dann sollten die Amerikaner schnellstmöglich unsere Regierung über das Ausmaß der Überwachung informieren um somit Imageschäden von sich zu wenden.

Das andere Szenario ist das mir momentan wahrscheinlichere: Die USA hat Angst, dass aus Deutschland so große Gefahr ausgeht, dass die deutschen Geheimdienste und Behörden nicht mehr damit fertig werden. Das kann berechtigt oder unberechtigt sein, auf jeden Fall wird es auf Misstrauen fußen. Misstrauen können wir in Bündnissen nicht gebrauchen.

Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten: Wir steigern die Bespitzelung der eigenen Bevölkerung, unter anderem auch mit Dingen wie der Vorratsdatenspeicherung, mehr Kameras auf öffentlichen Plätzen, usw. damit die Amis das nicht mehr tun müssen und mehr Vertrauen in BND und Verfassungsschutz (ok, der war gut :D) erhalten. Oder wir steigen den Amis aufs Dach.

Ich wünsche mir eine Regierung die letzteres tut. In einem Überwachungsstaat zu leben, darauf habe ich keine Lust. Wer diese Aussage nicht versteht, der sollte einmal „V wie Vendetta“ anschauen.
Was mich aber zu Tode aufregt ist, dass die Amerikaner sich ziemlich dumm aufführen. Anstelle sich öffentlich vielleicht einmal zu entschuldigen unser Grundgesetz gebrochen zu haben und Prism einzustellen spielen sie die öffentliche Empörung in Deutschland runter und schieben den Vorwand der Terrorismusbekämpfung vor. In Amerika sterben mehr Leute im Jahr, weil sie von der Leiter fallen. Circa 15x so viel wie durch Terrorismus. Und die Deutschen sind nicht dumm und sie erkennen diesen Missstand! Wir Deutschen hatten Empathie für unsere Freunde, die Amerikaner, als am 11. September 2001 ein grauenvoller Anschlag die Weltpolitik von einem Tag zum anderen auf den Kopf stellte.

Doch als Bush in den Krieg im Irak zog, da fing es an. Wir Deutschen wollten in der Mehrheit diesen Krieg nicht (und Gott sei Dank haben Gerd Schröder und Joseph Fischer diesem Krieg eine klare Absage erteilt!). Wir Deutschen glaubten George W. Bush nicht und wir bekamen traurigerweise Recht – Hussein hatte keine Massenvernichtungswaffen (Trivia: Der ehem. Botschafter Joseph C. Wilson wurde 2003 dazu beauftragt nach Niger zu reisen um festzustellen ob Hussein dort Uran kaufen wollte. Die Papiere stellten sich als Fälschung heraus. Als Bush in der Öffentlichkeit die Aussagen Wilsons verdrehte, veröffentlichte jener unter Pseudonym einen Zeitungsartikel, welcher wiederum die Wahrheit wiedergab. Daraufhin wurde seine Frau, Valerie Plame, als CIA-Agentin enttarnt. Unter den damaligen Whistleblowern, die diese Information an die Presse weiterleiteten um Wilson zu diskreditieren, war unter anderem auch Dick Cheney. Ich empfehle den Film „Fair Game“ mit Sean Penn der diese Geschichte erzählt).

Nach der Wahl von Obama erhoffte sich die ganze Welt einen Wechsel. Doch so viel Sympathie ich für Obama empfunden habe, muss ich eingestehen: Amerikanische Politik ist nicht einmal ansatzweise mit europäischer vergleichbar. Obama ist kein Demokrat europäischer Prägung, Obama steht für dieselbe Aussenpolitik wie George W. Bush. Obama verspielt sich langsam deutsche Sympathien, er verspielt deutsche Sympathien für Amerika. Er fördert aufkeimenden Anti-Amerikanismus in der Bevölkerung. Das ist Zündstoff für kommende Generationen.

Obama sollte sich dessen bewusst sein: Ohne einen guten Draht nach Deutschland wird die Rolle der Amerikaner als Bündnispartner der Europäischen Union schlechter werden – und die Amis sind auch auf uns angewiesen wie wir auf sie.

Ich will ein Deutschland mit einem guten Draht über den großen Teich. Ich wünschte mir, die Amerikaner würden das auch wollen.

Montag, 8. Juli 2013

¡Viva la visión!

Von Florian Burkhardt

Das war sie also meine erste Juso-Landesdelegiertenkonferenz. Ich muss gestehen, ich bin überraschend unüberrascht: Die Grußworte waren so langweilig wie erwartet und die Konfliktlinien verliefen, wie es abzusehen war.

Eine Sache, die zwar ebenso sehr vorhersehbar war, hat man ehrlich gesagt, dann doch gestört. Ein Argument, das bei einigen Kritikern des Landesvorstandes mit großer Häufigkeit genutzt wurde. Die viel beschworene „Vision“.

Es fehle den Anträgen des Landesvorstandes oder Kreisverbänden, die ihm inhaltlich nahestehen, stets an Visionen. Es sei keine Vision erkennbar. Oder der visionäre Charakter komme zu kurz.

Ich könnte nun zu einer Visionskritik greifen, und à la Helmut Schmidt einfach alle Kritiker zum Arzt schicken. Oder ich kann mich, als jemand der dem Landesvorstand inhaltlich nahe steht, mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass es mir an Visionen mangele.

Meiner bescheidenen Meinung nach mangelt es nämlich weder mir noch denen, die inhaltlich nicht ganz so radikale Positionen vertreten, an einer Vision. Denn nur weil jemand Inhalte fordert, die „linker“ sind, als sie die SPD oder andere vertreten, macht ihn das noch lange nicht zum Visionär. Und nur weil jemand von sich behaupten kann, dass er inhaltlich mit Marx, Keynes oder einem anderen großen Denker in einer Linie steht, macht ihn das noch lange nicht zu einem solchen Denker.

Nein, Visionär ist man nicht nur, in dem man etwas Utopischeres fordert, als es die Mutterpartei oder die Mehrheit der Gesellschaft fordert. Visionär ist man, wenn man eine klare Vorstellung davon hat, was und vor allen Dingen, wie man eine Gesellschaft verändern will. Nun mag man es visionär nennen, wenn man an einem Rednerpult steht und Feminismus, Antifaschismus und demokratischen Sozialismus predigt. Und ich persönlich stehe zu jedem einzelnen dieser Ideale.

Aber an dieser Stelle sollte vielleicht ein Visionär wie Willy Brandt sprechen, der es 1992 so ausdrückte: „Besinnt Euch auf Eure Kraft und darauf, daß jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe zu sein hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.“ Es ist nichts visionär daran Dinge zu fordern, die vor einem schon andere erfolglos gefordert haben und erst recht ist es nicht visionär eine Utopie als Selbstzweck zu predigen, ein Ideal, das für 99% der Menschen außerhalb der Parteien nur eine leere Hülle ist, schlicht und ergreifend etwas, was ihnen nichts bedeutet.

Vielmehr sollte man stets versuchen die richtigen Antworten für die richtige Zeit zu haben, statt nur immer auf dem Maximum zu beharren. Willy Brandt hätte in den 70er Jahren auch auf eine schnelle Wiedervereinigung pochen können. Aber wäre er so als Visionär in die Geschichte eingegangen? Wohl kaum.

Wer politisch etwas bewegen will, der muss die Zeichen der Zeit sehen und das System, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, in die richtige Richtung bewegen. Immer ein Stück, so wie es immer die Art der Sozialdemokratie war. Durch Reformen und kleine Schritte, bereit zum Kompromiss, statt immer nur auf dem Maximum zu beharren. Visionär ist eben der, der realisierbare Alternativen bietet, der, der das in seiner Zeit maximal mögliche fordert. Das andere, das sind keine Visionäre, sondern Utopisten.

Montag, 1. Juli 2013

Willkommen in der Familie

Von Florian Burkhardt

Seit Mitternacht ist die Republik Kroatien nun offiziell Mitgliedstaat der Europäischen Union. Seit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages im Dezember 2011 haben Kroatinnen und Kroaten ebenso wie die Regierungen der EU darauf gewartet und gehofft, dass dem Beitritt doch nicht noch etwas dazwischen kommt. Und nun ist es geschafft. Nummer 28 ist vollwertiger Teil der europäischen Familie.

Viel wurde im Voraus diskutiert und debattiert, ob der kleine Adriastaat bereit sei für die EU, ob die wirtschaftlichen und politischen Standards, die in den Kopenhagener Kriterien festgeschrieben sind, wirklich erfüllt wurden. Kritik ist immer berechtigt, vor allem wenn man die Geschichte bedenkt: Es ist erst 20 Jahre her, dass sich die Bundesrepublik Jugoslawien in blutigen Bürgerkriegen aufzulösen begann. Die Spannungen zwischen den Staaten auf dem Balkan sind immer noch existent und nicht wenige sagen, dass nur der Druck von NATO und EU und deren Militärpräsenz ein neues Aufflammen der Konflikte verhindern.

Und doch bleibt es dabei, der Beitritt Kroatiens ist ein Gewinn für den Balkan und die EU, und zwar aus zweierlei Gründen:

Erstens wird dadurch erneut die Rolle, die die EU als Stabilisatorin spielt, deutlich: Die Hoffnung auf Beitritt und nicht zuletzt die durch den Beitritt entstehende Verpflichtung zur friedlichen Kooperation und Koexistenz, erzeugen ein Klima, in dem die Beilegung historischer Streitigkeiten und Konflikte zum logischen Zwang wird. So wie durch die Kooperation zwischen den „Erbfeinden“ Deutschland und Frankreich eine Freundschaft entstand, kann es auch zwischen den Staaten auf dem Balkan geschehen. Dadurch stärkt die Union die Stabilität des Balkan.

Zweitens stärkt der Beitritt eines Staates erneut die Union. Nach außen wird dadurch wieder klar: Das System von immer engerer Integration, Aufgabe nationalstaatlicher Souveränitäten und friedlicher Kooperation ist immer noch beliebt. Trotz Euro-Krise bleibt die EU attraktiv und zeigt: Der Nationalstaat ist politisch nicht das Absolutum. Ihn zu überwinden und damit die Europa und die Welt friedlicher und sicherer zu machen, bleibt mit die Aufgabe der Sozialdemokratie.

Trotz allem positiven, bleibt sowohl Kroatien als auch der EU ein langer steiniger Weg. Kroatien muss die geschafften Fortschritte erhalten und sich weiter zu einer stabilen und sozialen Demokratie wandeln. Organisierte Kriminalität und Korruption sind Probleme, denen sich Kroatien mit der Hilfe seiner europäischen Partner widmen muss.

Die EU muss sich wiederum endlich trauen einen Schritt weiterzugehen, Demokratisierung ist hier das Stichwort. Wir müssen den Mut zeigen, dass wir ein starkes und geschlossenes, und vor allem ein politisch eigenständig handlungsfähiges Europa wollen. Die Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments ist dafür nur der erste Schritt. Langfristig müssen wir die Churchill'schen Vereinigten Staaten von Europa wagen. Das ist die Vision und dafür sollten wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten einstehen.