Von Florian Burkhardt
Heute vor 80 Jahren wurde der erste Akt
im Endspiel um die Weimarer Republik aufgeführt. Die Ernennung Adolf
Hitlers zum Reichskanzler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg
gilt gemeinhin als einer der Punkte, die man als das Ende der ersten
Demokratie Deutschlands bezeichnen kann. So einfach ist es jedoch
nicht. Hitler ist der vierte Präsidialkanzler seit 1930 und der
siebzehnte Reichskanzler seit dem Inkrafttreten der Weimarer
Reichsverfassung 1919. Die Ernennung Hitlers bedeutet noch nicht das
Ende, aber es ist ein wichtiger Schritt dorthin.
Ich werde im Folgenden auf die
Vorgeschichte und die Ereignisse eingehen, die Hitler ins Amt bringen
und an den wichtigen Daten – zum Beispiel dem 24. März – noch
einmal einen Beitrag zu den wichtigen Schritten schreiben, die
Hitlers Macht festigten und die Errichtung der NS-Diktatur
ermöglichten. Es geht mir dabei nicht unbedingt darum einen
wissenschaftlich perfekten Artikel zu liefern, sondern auf die
Schwächen eines demokratischen Systems aufmerksam machen, die Hitler
ausnutzen konnte.
Der 30. Januar 1933 kann dabei – wie
so viele historische Ereignisse – nicht singulär betrachtet
werden. Er ist das Ergebnis des schrittweisen Niedergangs der
politischen Kultur einer Republik, die von den Eliten und weiten
Teilen der Bevölkerung abgelehnt wurde. Nach den so genannten
Goldenen Zwanzigern brach 1929 weltweit die Konjunktur ein, was eine
der schlimmsten, wenn nicht sogar die schlimmste globale Depression
hervorrief. Deutschland, das sich in der Zeit von 1923 bis '29
wirtschaftlich konsolidieren konnte, wurde besonders hart getroffen,
da unter anderem die Wirtschaft sehr exportabhängig war und
amerikanische Kredite ausfielen.
Die kritische ökonomische Lage führte
im März 1930 zum Scheitern der sozialdemokratisch geführten
Regierung Müller. Reichspräsident von Hindenburg berief darauf
erstmals einen Reichskanzler – Heinrich Brüning – ohne eigene
parlamentarische Mehrheit und löste gemäß Artikel 25 der
Verfassung den Reichstag auf. Im neuen Parlament fehlte den
demokratischen Parteien die Mehrheit und notgedrungen trugen die
Sozialdemokraten den mit Notverordnungen regierenden Brüning mit, um
die NSDAP von der Macht fernzuhalten.
Brüning führte zur Bekämpfung der
Wirtschaftskrise in Deutschland ein scharfes Sparregiment (Man kann
davon ausgehen, dass es sein primäres Ziel war, die Siegermächte
des Ersten Weltkrieges davon zu überzeugen die Reparationszahlungen
einzustellen), das dazu führte, dass es zu einer krassen Verelendung
kam und sich soziale Spannungen verschärften.
Dieser Umstand brachte schlussendlich
Brüning zu Fall und auf Vorschlag seines Beraters Kurt von
Schleicher ernannte Hindenburg den konservativen Franz von Papen zum
Kanzler. Von Papen regierte nur von Juni bis Dezember '32, bis er
durch von Schleicher ersetzt wurde. Man kann davon ausgehen, dass
Schleicher gehofft hatte, mit Papen eine Marionette gefunden zu haben
und ihn stürzte, da diese Hoffnung enttäuscht wurde. Das einzig
Relevante an von Papens Amtszeit für die spätere Entwicklung –
neben seiner Abberufung – bleibt der so genannte „Preußenschlag“.
Der größte Gliedstaat des Reiches war eine der letzten
demokratischen Bastionen, die von Papen schleifte.
Der Sturz von Papens sollte
weitreichendere Folgen haben als sich Hindenburg oder Schleicher
vorstellen konnte. In einer Mischung aus Hass, verletztem Stolz und
krasser Selbstüberschätzung brachte von Papen ein Bündnis aus
adliger Elite, Deutschnationalen und Nazis zustande mit dem er
Schleicher stürzen wollte. Es bedurfte einiger Wochen und vieler
Zugeständnisse an alle Partner um Hindenburg schließlich davon zu
überzeugen seinen Vertrauten Schleicher zu stürzen. Eines dieser
Zugeständnisse war das Kanzleramt für Hitler. Von Papen – der
Vizekanzler werden sollte – glaubte sich in der stärkeren Position
(Die berühmtesten Beispiele dafür sind die Formulierungen man würde
Hitler „einrahmen“ und ihn „in die Ecke drängen, bis er
quiekt“), auch weil die NSDAP nur vier Ministerposten im Kabinett
für sich beanspruchte.
Eine weitere Anekdote aus diesen
Geschehnissen stammt aus den Szenen der Entlassung von Schleichers.
Hindenburg meinte, er stehe sowieso mit einem Bein im Grab und werde
erst im Himmel wissen, ob er richtig entschieden habe. Von Schleicher
meinte daraufhin, der Präsident könne nach der Ernennung Hitlers
nicht mehr sicher sein, dass er in den Himmel komme.
Am 30. Januar also heute vor 80 Jahren
kamen die Monate der Intrigen schließlich zum Ende. Das Kabinett
Hitler wurde vereidigt, die SA marschierte mit Fackeln durch Berlin.
Doch noch war Hitler nicht Diktator. Die Weimarer Republik mag im
Sterben gelegen haben, aber tot war sie noch nicht.
Noch gab es den Reichspräsidenten und
noch war Hitler nur ein Kanzler, wie viele vor ihm. Noch gab es den
Reichstag, der theoretisch die Macht besaß ihn zu stürzen. Noch
waren die republikanischen Strukturen vorhanden. Noch herrschten Meinungsfreiheit und die Weimarer Verfassung stand.
Allerdings war der 30. Januar vor 80 Jahren der erste Zug im Endspiel um die Demokratie.
Allerdings war der 30. Januar vor 80 Jahren der erste Zug im Endspiel um die Demokratie.