Mittwoch, 30. Januar 2013

1933 - 2013 "Machtübergabe" Teil I

Von Florian Burkhardt

Heute vor 80 Jahren wurde der erste Akt im Endspiel um die Weimarer Republik aufgeführt. Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler durch Reichspräsident Paul von Hindenburg gilt gemeinhin als einer der Punkte, die man als das Ende der ersten Demokratie Deutschlands bezeichnen kann. So einfach ist es jedoch nicht. Hitler ist der vierte Präsidialkanzler seit 1930 und der siebzehnte Reichskanzler seit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung 1919. Die Ernennung Hitlers bedeutet noch nicht das Ende, aber es ist ein wichtiger Schritt dorthin.

Ich werde im Folgenden auf die Vorgeschichte und die Ereignisse eingehen, die Hitler ins Amt bringen und an den wichtigen Daten – zum Beispiel dem 24. März – noch einmal einen Beitrag zu den wichtigen Schritten schreiben, die Hitlers Macht festigten und die Errichtung der NS-Diktatur ermöglichten. Es geht mir dabei nicht unbedingt darum einen wissenschaftlich perfekten Artikel zu liefern, sondern auf die Schwächen eines demokratischen Systems aufmerksam machen, die Hitler ausnutzen konnte.

Der 30. Januar 1933 kann dabei – wie so viele historische Ereignisse – nicht singulär betrachtet werden. Er ist das Ergebnis des schrittweisen Niedergangs der politischen Kultur einer Republik, die von den Eliten und weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt wurde. Nach den so genannten Goldenen Zwanzigern brach 1929 weltweit die Konjunktur ein, was eine der schlimmsten, wenn nicht sogar die schlimmste globale Depression hervorrief. Deutschland, das sich in der Zeit von 1923 bis '29 wirtschaftlich konsolidieren konnte, wurde besonders hart getroffen, da unter anderem die Wirtschaft sehr exportabhängig war und amerikanische Kredite ausfielen.

Die kritische ökonomische Lage führte im März 1930 zum Scheitern der sozialdemokratisch geführten Regierung Müller. Reichspräsident von Hindenburg berief darauf erstmals einen Reichskanzler – Heinrich Brüning – ohne eigene parlamentarische Mehrheit und löste gemäß Artikel 25 der Verfassung den Reichstag auf. Im neuen Parlament fehlte den demokratischen Parteien die Mehrheit und notgedrungen trugen die Sozialdemokraten den mit Notverordnungen regierenden Brüning mit, um die NSDAP von der Macht fernzuhalten.

Brüning führte zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise in Deutschland ein scharfes Sparregiment (Man kann davon ausgehen, dass es sein primäres Ziel war, die Siegermächte des Ersten Weltkrieges davon zu überzeugen die Reparationszahlungen einzustellen), das dazu führte, dass es zu einer krassen Verelendung kam und sich soziale Spannungen verschärften.

Dieser Umstand brachte schlussendlich Brüning zu Fall und auf Vorschlag seines Beraters Kurt von Schleicher ernannte Hindenburg den konservativen Franz von Papen zum Kanzler. Von Papen regierte nur von Juni bis Dezember '32, bis er durch von Schleicher ersetzt wurde. Man kann davon ausgehen, dass Schleicher gehofft hatte, mit Papen eine Marionette gefunden zu haben und ihn stürzte, da diese Hoffnung enttäuscht wurde. Das einzig Relevante an von Papens Amtszeit für die spätere Entwicklung – neben seiner Abberufung – bleibt der so genannte „Preußenschlag“. Der größte Gliedstaat des Reiches war eine der letzten demokratischen Bastionen, die von Papen schleifte.

Der Sturz von Papens sollte weitreichendere Folgen haben als sich Hindenburg oder Schleicher vorstellen konnte. In einer Mischung aus Hass, verletztem Stolz und krasser Selbstüberschätzung brachte von Papen ein Bündnis aus adliger Elite, Deutschnationalen und Nazis zustande mit dem er Schleicher stürzen wollte. Es bedurfte einiger Wochen und vieler Zugeständnisse an alle Partner um Hindenburg schließlich davon zu überzeugen seinen Vertrauten Schleicher zu stürzen. Eines dieser Zugeständnisse war das Kanzleramt für Hitler. Von Papen – der Vizekanzler werden sollte – glaubte sich in der stärkeren Position (Die berühmtesten Beispiele dafür sind die Formulierungen man würde Hitler „einrahmen“ und ihn „in die Ecke drängen, bis er quiekt“), auch weil die NSDAP nur vier Ministerposten im Kabinett für sich beanspruchte.

Eine weitere Anekdote aus diesen Geschehnissen stammt aus den Szenen der Entlassung von Schleichers. Hindenburg meinte, er stehe sowieso mit einem Bein im Grab und werde erst im Himmel wissen, ob er richtig entschieden habe. Von Schleicher meinte daraufhin, der Präsident könne nach der Ernennung Hitlers nicht mehr sicher sein, dass er in den Himmel komme.

Am 30. Januar also heute vor 80 Jahren kamen die Monate der Intrigen schließlich zum Ende. Das Kabinett Hitler wurde vereidigt, die SA marschierte mit Fackeln durch Berlin. Doch noch war Hitler nicht Diktator. Die Weimarer Republik mag im Sterben gelegen haben, aber tot war sie noch nicht.

Noch gab es den Reichspräsidenten und noch war Hitler nur ein Kanzler, wie viele vor ihm. Noch gab es den Reichstag, der theoretisch die Macht besaß ihn zu stürzen. Noch waren die republikanischen Strukturen vorhanden. Noch herrschten Meinungsfreiheit und die Weimarer Verfassung stand.

Allerdings war der 30. Januar vor 80 Jahren der erste Zug im Endspiel um die Demokratie.

Sonntag, 27. Januar 2013

The Life of Rainer

Von Robin Voss

Rainer Brüderle macht Schlagzeilen. Er soll, anscheinend betrunken, eine Stern-Reporterin angemacht haben welche seine innigen Gefühle wohl nicht geteilt hat. Und das wird nach der Ernennung zum Spitzenkandidaten publiziert. Autsch.

Die Medien haben das mit Absicht geplant. Sagt die FDP. Dass der Redaktionsschluss zur aktuellen Sternausgabe vor der Ernennung zum Spitzkandidaten gewesen sein dürfte versteht die FDP wohl nicht. So wird von einer Kampagne der Presse gegen Brüderle gesprochen, im Zweifelsfall denunziert man die Presse und vorallem die betroffene Dame.

Ich möchte klarstellen: Es interessiert mich nichts weniger als das Privatleben von Rainer Brüderle, sogar Daniela Katzenberger und die Wollnys stehen in meinem Interessenranking über ihm. Rainer Brüderle kann in seiner Freizeit tun und lassen was er möchte, in seinem privaten Umgang muss er sich nur vor den Anwesenden und sich selbst rechtfertigen. Ich werde hier jedoch in keinem Punkt sein Verhalten relativieren.

Was viel erschütternder ist, mit wie viel Chauvinismus manch einer Brüderle zur Seite springt. Solange es beim in den Ausschnitt gucken, bei einem blöden Spruch oder vielleicht sogar einem Grabscher bleibt sei die Welt doch in Ordnung.

Bitte?

Wo beginnt Sexismus und – die viel wichtigere Frage - wo hört er auf?
Hat nicht erst vor kurzem eine Vergewaltigung in einem indischen Bus stattgefunden bei der eine junge Frau ums Leben kam? Alle fanden dies schrecklich, wohl auch Rainer Brüderle. Doch auch diese Handlung fußt auf Sexismus, ausgelöst von einem Frauenbild, welches sie zu einem Lustobjekt ohne Rechte degradiert.
Ich bin der letzte Mann auf dieser Welt, der fordert, dass wir den Unterschied der Geschlechter aufheben sollen – der Unterschied zwischen Mann und Frau ist von der Natur gegeben und mündet auch in unterschiedlichen Kleidungsstilen (Ich trage kein Make-up und keine High Heels was wohl an meinem Geschlecht liegt und Hemd und T-Shirt steht mir meines Erachtens auch eindeutig besser als ein luftiges Sommerkleid), im unterschiedlichem Umgang zu Freunden und Freundinnen und auch Verhalten gegenüber dem anderen Geschlecht. Allerdings möchte ich anmahnen, dass im alltäglichen Leben der Respekt voreinander an erster Rolle stehen muss.

Ich will nicht, dass Rainer Brüderle als schlechter Mensch dasteht, das weiss ich nicht, ich kenne ihn nicht, ich beurteile Politiker lieber nach Ihrem Wirken und da kann ich klar sagen, dass Brüderles größte politische Leistung wohl das Ankurbeln der Weinindustrie in Rheinland-Pfalz nach seinem Besuch bei Harald Schmidt war der unter dem Titel „Saufen mit Brüderle“ stand.

Es ist eher ein Problem einer Generation von Männern, welche es nicht besser weiss. Klar, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, aber es ist wichtig, dass man darauf aufmerksam macht, dass dieser Umgang mit Frauen, welchen wohl auch „Spitzen“politiker dieses Landes pflegen, wohl aus einer anderen Welt kommt und sich dieses Verhalten wohl auch weiter in jüngere Generationen vererben wird, falls man sich nicht in aller Öffentlichkeit dagegen stellt.

Jeder Mann, der dies liest, sollte sein Verhalten gegenüber Frauen, unabhängig ob er sich für einen Brüderle hält oder nicht, überdenken. 

P.S. An alle Jungs: Es ist auch viel schöner ein Gentleman zu sein wie ein lüsterner Prolet ;-)

Donnerstag, 17. Januar 2013

Was ist das Gute daran, wenn Frankreich in den Krieg zieht?

Von Florian Burkhardt

Gestern fragte mich ein Genosse: „Weißt du, was das Gute daran ist, wenn Frankreich in den Krieg zieht? Die Medien berichten nicht mehr primär über unseren Kanzlerkandidaten.“

Wenn es eine militärische Intervention schafft, die mediale Kampagne gegen Peer Steinbrück zu unterbrechen, ist das natürlich ein Thema, dem auch wir uns widmen sollten: Seit bald einer Woche sind französische Soldaten im Einsatz um den Norden der einstigen Vorzeigedemokratie für die Regierung zurückzuerobern. Logistisch unterstützt wird die Grande Nation dabei von Großbritannien und der Bundesrepublik und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS kündigte militärische Hilfe an.

Der Kampf um Malis territoriale Integrität ist dabei alles andere als unumstritten. Gleichwohl der Weltsicherheitsrat einstimmig den Einsatz legitimiert und legalisiert hat kommen nun vonseiten einiger Teile der politischen Linken die altbekannten Vorwürfe: Imperialismus, Neokolonialismus, Kriegstreiberei, etc. pp. Das daran nichts dran sein kann zeigt schon allein der Fakt, dass die malische Regierung um diese Intervention gebeten hat. Und obwohl diese Regierung keine demokratische Legitimation hat, ist sie der völkerrechtliche Repräsentant Malis.

Warum also ist diese Intervention überhaupt wichtig? Es gibt ja schließlich viele Konflikte – man denke nur an den Sudan – wo sich der Westen nicht wirklich aktiv eingemischt hat, obwohl es um die Sezession eines Teil eines Landes ging. Das liegt daran, dass die Separatisten, die versuchen den Nordteil Malis aus dem Land zu lösen, nicht mehr allein das Problem sind. Längst haben sich extremistische Gruppierungen mit eingemischt und das durchaus legitime Begehren der Tuareg ist ins Hintertreffen geraten. Die Gruppe, die heute gegen die Regierung in Bamoko kämpft, ist ein zutiefst heterogener Zusammenschluss. Diese Heterogenität ist es, die weiteres Konflikt-Potenzial birgt: Sollten diese „Rebellen“ Erfolg haben, wird sich anschließend ein weiterer Konflikt zwischen den ehemaligen Verbündeten auftun, der nur noch mehr Leid für die Bevölkerung Malis bringen wird.

Es ist dabei selbstverständlich, dass der Westen von der malischen Übergangsregierung rasche demokratische Wahlen fordern und verlangen muss. Und es ist genauso klar, dass er sich, nachdem der Norden zurückerobert ist, einfach wieder zurückziehen kann. Es wird eine langwierige Nation-Building-Mission werden, die mit ziemlich großer Sicherheit mehrere Jahre dauern wird. Man sollte Frankreich in diesem Kontext nicht nur kritisch hinterfragen, sondern auch einmal offen den Mut der französischen Regierung loben, einen weiteren langen und blutigen Konflikt in Kauf zu nehmen, um einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Nun werden vermutlich die Kritiker des Einsatzes recht schnell monieren, dass die Motive der Regierung Hollande nicht mal ansatzweise so selbstlos sind, wie ich sie hier darstelle. Und da haben sie durchaus recht. In Mali und in seinen Nachbarstaaten gibt es reiche Uranvorkommen, die für die Atomnation Frankreich essenziell sind. In Mali liegen diese größtenteils im umkämpften Norden.

Und ich will auch gar nicht behaupten, dass es sich bei der Intervention in Mali um einen rein selbstlosen Akt handelt. Aber ändert der Umstand, dass Frankreich etwas zu gewinnen hat, etwas daran, dass der Einsatz richtig ist? Nur weil Frankreich diese Uranvorkommen braucht, sollte es sich aus Mali heraushalten? Nur weil Hilfe für jemanden einen Vorteil bietet, handelt er plötzlich moralisch verwerflich?

Das glaube ich nicht. Ich denke, dass Frankreich absolut legal und legitim handelt. Ich denke ferner, dass es eine weitere außenpolitische Blamage der Regierung Merkel ist, dass sie unseren wichtigsten Verbündeten so mit seinem Problem alleine lässt. Wer sich als eine der stärksten Nationen des Kontinents nicht an Missionen mit den Verbündeten beteiligt, der wird seiner Verantwortung nicht gerecht.

Ich persönliche befürworte den Einsatz Frankreichs und glaube, dass es möglich ist Mali mithilfe einer militärischen Intervention, langfristiger Friedenssicherungsmaßnahmen und politischer Hilfen wieder zu einem demokratischen und stabilen Land zu machen.

Montag, 7. Januar 2013

Mit Ecken und Kante, aber bitte nicht sagen, was man denkt?

Von Florian Burkhardt

"Im Übrigen finde ich allerdings, dass manche Debatte über die Bezahlung unserer Abgeordneten bis hin zur Spitze der Bundesregierung sehr schief ist. Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin. Abgeordnete des Bundestags arbeiten fast sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden. Sie sind gemessen an ihrer Leistung nicht überbezahlt. Manche Debatte, die unsere Tugendwächter führen, ist grotesk und schadet dem politischen Engagement."

"Ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin verdient in Deutschland zu wenig - gemessen an der Leistung, die sie oder er erbringen muss und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten mit weit weniger Verantwortung und viel größerem Gehalt."

Diese 6 Sätze von Peer Steinbrück sind der Stein des Anstoßes der Debatte, die in den letzten Tagen die mediale Landschaft in der Republik dominiert. Ich kann an diesen Aussagen nichts Falsches finden. Mandatsträger verdienen angesichts ihrer Arbeitsleistung nicht so viel, wie man in der freien Wirtschaft verdienen könnte. Das ist ein Fakt. Und die lächerliche Steinbrück-Will-Mehr-Geld-Debatte, die die Medien daraus gemacht haben, findet auf dem untersten Niveau des Boulevard statt.

Nun gibt es also jene, die aus diesen Aussagen einen Fehler herauslesen. Ich sehe darin keinen Fehler, sondern möchte drei Dinge anmerken:

  1. Peer Steinbrück steht zu seiner Meinung. Er sagt, was er denkt, nicht dass was er für möglichst konform hält. Das ist richtig und wichtig, in einem Land, dass seit bald 8 Jahren nichts anderes tut, als möglichst viel zu sagen, was gut ankommt. Das ist für mich der Weg in den Populismus und den braucht unsere Demokratie nicht. Was wir brauchen sind ehrliche Politiker, die bereit sind zu unbequemen Wahrheiten zu stehen und für die Probleme unserer Zeit kompetent Lösungen anbieten. Was wir nicht brauchen, sind Politiker, die die Tagesordnung von der nächsten Landtagswahl abhängig machen und von dem, was im aktuellen Politbarometer an „Volksmeinungen“ herauskam.
    Was wir nicht brauchen, ist Angela Merkel. Was wir brauchen, ist Peer Steinbrück.
  2. Eben jene Menschen, die Politikern gerne pauschal vorwerfen sie seien wie die Kanzlerin, kritisieren nun den Herr Steinbrück als – ich sage es mal salopp – dumm. Seit ich mich für Politik interessiere, höre ich die Forderung nach Politikern mit Ecken und Kanten, Leuten die ihre Meinung sagen und nicht nur, das was gut ankommt. Und nun tut der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten genau das. Und wird dafür als bestraft? Man muss nicht mal Sozialdemokrat sein, um die Doppelmoral dahinter zu entdecken. Mir ist Peer Steinbrücks Ehrlichkeit lieber, als wenn er verlogen rumgedruckst hätte.
  3. Inhaltliche Debatten sollten in einer Demokratie immer vor personenbezogenen Debatten geführt werden. Ich finde die Thesen von Peer Steinbrück auch diskussionwürdig. Zum Beispiel, ob man im Angesicht grassierender sozialer Ungerechtigkeit wirklich eine Erhöhung des Kanzlergehalts braucht. Oder ob man sich wirklich an den Gehältern in der Freien Wirtschaft orientieren sollte. Aber führen wir solche inhaltliche Diskussionen? Nein wir streiten uns darüber ob Peer Steinbrück ein gieriger Dummkopf ist oder nicht. Ich halte es mit Eleanor Roosevelt: „Great minds discuss ideas; Average minds discuss events; Small minds discuss people.“

Lasst uns diese lächerliche Diskussion beenden und uns endlich dem zuwenden, was eigentlich wichtig ist: In was für einer Welt wollen wir eigentlich leben? Wie wollen wir leben? Und wie können wir das erreichen? Das finde ich dringender als die Meinung des Kanzlerkandidaten der SPD zu seinem zukünftigen Gehalt.

Sonntag, 6. Januar 2013

Die FDP sucht ihre drei Könige

Von Robin Voss


Das Beeindruckende an der FDP ist und bleibt: Man geht zum Dreikönigstreffen der FDP nach Stuttgart, schraubt seine Erwartungen so niedrig, dass sie eigentlich nur übertroffen werden können, und die FDP segelt meilenweit darunter hindurch.

Ich möchte zunächst im Vorhinein klären, dass ich generell kein Feind des Liberalismus bin und fühle mich auch nicht angesprochen, wenn Parteifunktionäre der FDP von der Kontrollierungswut der politischen Linken sprechen. Im Gegenteil: Ich, als Sozialdemokrat, habe das Mitgliederbegehren gegen die Vorratsdatenspeicherung unterstützt. Außerdem glaube ich, dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die wohl einzige wirklich fähige Person im Kabinett Merkel ist, gerade weil sie vehement für liberale Werte eintritt – die letzte Liberale der Führungsriege der FDP.

Ich bin mir auch bewusst, dass wenn ich das Dreikönigstreffen besuche, ich Polemik erwarten und eine inhaltliche Debatte zu vergessen habe. Aber derart viel Selbstbeweihräucherung ist erschütternd. Immerhin haben die Julis, nicht wie in den vorangegangenen Jahren, darauf verzichtet per Banner ihre Zuneigung zur Parteispitze auszudrücken – ein Juso streitet sich lieber mit den Parteioberen um die Partei und die Gesellschaft voranzutreiben. Anstelle, dass man eine Programmatik im aufkeimenden Bundestagswahlkampf aufstellt, hat man eine unsagbar nervige Birgit Homburger, die der politischen Linken Stillstand in Sachen Forschungsförderung vorwirft, einem Hans-Ulrich Rülke, der von der Historie der FDP schwärmt wobei er lieber Antworten für das Leben der Menschen geben sollte (und noch politische Hetze betreibt, welche an Demagogie grenzt!), ein Rainer Brüderle, der überaschenderweise Vokale benutzt hat und in verständlicher Sprache Errungenschaften wie die Absenkung des Rentenniveaus und die niedrige Jugendarbeitlosigkeit als Werk der Liberalen darstellt (ersteres wurde jedoch von Ursula von der Leyens Ministerium durchgesetzt obgleich die Bundesregierung keine Ahnung hat wie sie die Renten in Zukunft finanzieren soll – absolut faszinierend wie konsequent unlogisch gehandelt wird; zweiteres ist eindeutig auf die Agendapolitik der Regierung Schröder zurückzuführen, da sind sich so manche Wirtschaftswissenschaftler einig und ansonsten würde ja Angela Merkel wohl kaum dem europäischen Ausland eine Schrödersche Agendapolitik empfehlen) und einen Philip Rösler, der rhetorisch wohl das schwächste Mitglied einer Bundesregierung seit der Wiedervereinigung ist, dessen Rede erst nach einer Viertelstunde in Fahrt kam und der am Ende wohl doch nichts gesagt hat. Einzig Dirk Niebel hat den Anstand seine Partei offen zu kritisieren, was er wohl auch nur macht weil innerparteiliche Kritik nicht mehr zu helfen scheint – dieser Mann scheint der einzig verbliebene Vernünftige in dieser Partei zu sein.

Immer wieder erzählen die Liberalen von Freiheit. Einzig die FDP würde die Freiheit in Deutschland, wenn es darauf ankäme, sichern. Mein Nebensitzer Florian Burkhardt stellte mehrmals laut in unserer Reihe die rhetorische Frage, welche Partei als einzige gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt habe. Die FDP hat nicht die Deutungshoheit in Fragen der Freiheit. Mir kommt es fast so vor, als seien der FDP die Themen ausgegangen und so begann man in einem Hinterzimmer im Thomas-Dehler-Haus sich zu überlegen wofür der erste Buchstabe des Parteikürzels überhaupt stehe. Freiheit! Das hat ja schließlich auch bei Joachim Gauck super geklappt. Das wird das neue Kampfthema der Liberalen.

Ich bin zutiefst enttäuscht über die Illusionen, die diese Partei sich selbst vormacht. Anstelle von Selbstkritik übt man den Angriff nach vorne, ohne Plan, ohne Ziel und ohne Inhalte. Meiner Partei kann nichts Besseres geschehen wie diese Führung der Liberalen und das erfüllt mich fast schon mit Gefühlen des Mitleids. Deutschland braucht eine starke Liberale Partei, vollkommen außer Frage, aber die FDP ist dies schon lange nicht mehr. Wenn sie es überhaupt je waren.

Wenn die FDP endlich erkennt, dass auch die alte Tante SPD in ihren Grundsätzen Freiheit stehen hat, dass Freiheit auf den Märkten in Unfreiheit der Menschen mündet und dass ein starker Staat kein verabscheuendes, wachstumfressendes, gleichmacherisches Monstrum ist (erschütternd wie Mitglieder unserer Bundesregierung über den Staat sprechen! Erschütternd!), dann und erst dann ist eine Kooperation der ehem. Koalitionspartner möglich.

Diesen Blogeintrag möchte ich mit einer kleinen Hausaufgabe für Liberale beenden: Findet mal heraus von wem die Worte stammen: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht.“

Glück auf. Auf dass diese Partei aus dem Bundestag fliegt.

Donnerstag, 3. Januar 2013

Zwischen Pflaumendatschi und Kanzlergehalt – Wo war eigentlich die merkelsche Neujahrsansprache?


Von Felix Huber

Das Jahr 2013 ist gerade erst 3 Tage alt, aber die SPD hatte eine Medienpräsenz die eigentlich für einen ganzen Monat reicht. Erst wünscht sich Peer Steinbrück medienwirksam mehr Geld als Kanzler und später schimpft Wolfgang Thierse über Exil-Schwaben in Berlin und ihre „Pflaumendatschi“ (was eigentlich ein bayrischer Begriff ist). Nach den ersten Entrüstungen und dem ersten Mokieren ist der Rauch mittlerweile verflogen und was bleibt ist eine Wahrheit, eine Diskussion und eine Frage: Wo war eigentlich die Neujahrsansprache der Kanzlerin?
Kommen wir zu aller erst zur bleibenden Wahrheit, die Peer Steinbrück ausgedrückt hat: Die Kanzlerin/ der Kanzler verdient in Deutschland zu wenig. „Rumms“ hat es gemacht und die Entrüstung war überall groß. Wie kann ein Mann der doch so viel Geld schon verdient hat so etwas fordern? Nur wenige verstanden die logische Argumentationskette hinter Steinbrücks Aussage, wonach die Kanzlerin/der Kanzler nur einen Bruchteil eines Gehalts verdient, welches in der freien Wirtschaft ausgezahlt wird, was zur Folge hat, dass für die Politik fähige Personen, mit der Veranlagung Verantwortung zu übernehmen, lieber in die freie Wirtschaft gehen und Deutschland zunehmend vom Mittelmaß regiert wird. Ein Kommentator auf Spiegelonline hat zumindest diese Argumentationskette verstanden und titelte über seinem Kommentar: „Der Kanzler ist kein Deutschland CEO“ und führte weiter aus, dass der Weg in die Politik durch alles, aber eben nicht durch finanzielle Gelüste geebnet werden sollte. Ein ehrenwerter Ansatz ist das ja schon. Politiker, die um des Politikerwerdesnwillen Politiker geworden sind, wer will das nicht? Die Frage ist aber, kann das so funktionieren? Treffen Menschen ihre Entscheidungen wirklich ohne die Berücksichtigung von finanziellen Aspekten? Nein, dass tun sie eben nicht. Marx sagte, „dass das ökonomische Sein, das gesellschaftlich vorgibt“ und Adam Smith belegte empirisch, „dass der Mensch dazu neigt seinen eigenen ökonomischen Vorteil zu maximieren.“ Und wie messen wir ökonomischen Vorteil und ökonomisches Sein in unserer Gesellschaft? Natürlich, an der Höhe des vorhandenen Einkommens. Daraus folgt, dass Steinbrück recht hat: Ein begabter Mensch mit der Veranlagung Verantwortung zu übernehmen überlegt sich zweimal ob er in die Politik geht oder ob er doch nicht lieber „nordrheinwestfälischer  Sparkassendirektor“ wird, denn auch hier kann er Verantwortung für die Vermögen seiner Kunden übernehmen.
Diese Wahrheit führt uns auch zur aktuellen Diskussion, nämlich der, ob nun Kanzlergehälter zu niedrig oder Gehälter in den Spitzen der freien Wirtschaft zu hoch sind. Ich möchte diese Frage in diesem Artikel offen lassen, soll jeder selbst nachdenken und sich eine Meinung bilden. Ich möchte erst mal nur festhalten, dass es diese Diskussion nun gibt und dass sie schon lange nötig war.
Natürlich: Der gewählte Zeitpunkt von Steinbrück war völlig daneben und es wird ihm im Ansehen mehr schaden als helfen. Das wird auch die SPD bemerkt haben, was in meinen Augen auch für den Wutausbruch des sonst so stillen und besonnenen Wolfgang Thierse spricht. Man kann der Führungsriege in der SPD nun dieses Kalkül und den nötigen Einfallsreichtum unterstellen oder nicht, Fakt ist, geplant oder zufällig, dass durch den Auftritt von Thierse, einem Mann der zur nächsten Bundestagswahl eh nicht mehr antritt, die zornigen Augen der Massen von Steinbrück weg gelenkt wurden und sein inhaltlich richtiger, aber taktisch völlig falscher Ausrutscher nicht seine komplette Wirkung entfalten konnte.
Nach der Aufarbeit der ganzen, für mich parteiinternen, Angelegenheiten der letzten Tage habe ich mich dann gefragt, was hört man eigentlich so vom politischen Gegner, unserer Bundesregierung? Oder besser gefragt, hätte da nicht irgendwas kommen müssen zu Neujahr? Und tatsächlich, die Kanzlerin hat ihre Neujahrsansprache gehalten. Das Problem ist aber: Sie hat das völlig isoliert von der Öffentlichkeit getan. Wurde die, inhaltlich hervorragende, aber in ihrer Wirkung völlig unbedeutende Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten in den Medien über Tage immer wieder zitiert, blieb die Neujahrsansprache der Kanzlerin, der mächtigsten Person in unserem Staat, unberührt. Das ist nicht weiter verwunderlich, schließlich hatten die Medien zwei viel interessantere Dinge über die sie berichten konnten, nämlich über Pflaumendatschi und Kanzlergehalt, aber warum hat die Kanzlerin dann nicht mit einer weiteren Pressekonferenz oder Pressemitteilung ihrer Neujahrsansprache Nachdruck verliehen? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Erstens sie hat ihre Interessen zurückgestellt, um den „Medien-Shitstorm“ auf die SPD ungestört zu lassen oder es interessiert sie schlicht nicht, was die Bevölkerung so über ihre Arbeit weiß oder eben nicht weiß, was sie dazu bringt, ihre Neujahrsansprache nur als quälende Pflicht zu sehen. Beides ist in jedem Falle, einer Kanzlerin, die dem Volk verpflichtet ist, nicht würdig und wir können schon heute sehen warum ein Politikwechsel im September für unser Land so wichtig sein wird.