Donnerstag, 13. Dezember 2012

Demokratie beugen?

Von Florian Burkhardt

Silvio Berlusconi ist zurück. Schon seit Wochen schwebt die Drohung des Cavaliere im Raum und nun hat er es offiziell angekündigt: Er will zum dritten Mal Ministerpräsident Italiens werden, nachdem er vor etwas über einem Jahr von der Kanzlerin und dem damaligen französischen Präsidenten aus dem Amt nun ja ich will es mal „gedrängt“ wurde nennen. Nachdem nun der Technokrat Mario Monti, sein Nachfolger im Amt, sich ziert erneut für den Posten zur Verfügung zu stehen, stellt Berlusconi seine Rückkehr in Aussicht.

Und schon werden Medien und Märkte panisch. Vom Spiegel über die FAZ hin zur Welt berichten darüber, als würde allein die Ankündigung reichen, um Italien, immerhin die viertgrößte Volkswirtschaft Europas, in den Abgrund zu treiben. Nun das mag sein. Rechtfertigt es trotzdem den unterschwelligen Wunsch danach, dass die Kanzlerin ihren Coup vom November letzten Jahres wiederholt? Was damals geschah, war zumindest indirekt die Einmischung in die Souveränität eines Staates und die Beugung seiner demokratischen Strukturen. Und das alles, nur weil einer Gruppe von Regierungschefs die Politik des Ministerpräsidenten nicht gepasst hat. Und weil sie Angst vor den Märkten hatten, die drohten Italiens Wirtschaft gegen die Wand zu fahren.

Man möge mich nicht falsch verstehen, ich verabscheue diesen Mann, seine Politik und erst recht das, was er aus Italien gemacht hat. Aber es ist und bleibt das Recht Berlusconis anzutreten. Es bleibt das Recht der Italiener ihn zu wählen. Und es bleibt das Recht Italiens sich seinen Regierungschef selbst zu bestimmen. Auf diese Weise gegen Berlusconi zu agitieren untergräbt diese Rechte.

Und jetzt kommen wir zum Knackpunkt dieses Artikels. Denn zumindest unterschwellig steuern hier die „Märkte“ den demokratischen Prozess, der – aus Angst vor den Folgen – vor ihnen in die Knie geht. Denn das, was mit Berlusconi geschehen ist und jetzt wieder geschieht ist der Kern, dessen, was Sozialdemokraten mit dem Problem der marktkonforme Demokratie meinen.

Marktkonforme Demokratie. Man lasse sich das auf der Zunge zergehen. Und dann sollte jedem Staatsbürger kalt den Rücken runterlaufen. Marktkonforme Demokratie, das ist neben der Armut, die in den Staaten der europäischen Peripherie entsteht, die größte politische Gefahr, die im Zuge der Krise aufkommt. Es ist das Primat der Politik, das ins Rutschen gekommen ist. Auf dem Spiel steht die Volkssouveränität, die gegen eine Herrschaft der Märkte steht. Das ist eine Entwicklung und eine Perspektive, die jedem Bürger Angst machen sollte. Mir zumindest macht es Angst.

Es gilt deshalb das Ruder herumzureißen. Wir brauchen eine starke Marktregulierung, nicht nur in Europa, sondern global. Wir brauchen gebändigten Kapitalismus, bevor dieses Monster, wie es Horst Köhler einmal nannte, uns verschlingt. Wir brauchen eine Rekapitalisierung der Banken und eine Finanzmarkttransaktionssteuer. Und wir brauchen eine Rückkehr zur Trennung von Investment- und Geschäftsbanken.

Das ist der massivste Unterschied zwischen den linken Parteien dieser Republik – SPD, Grüne und Linke – und den so genannten bürgerlichen Parteien. Was es jedoch mit bürgerlichen Tugenden wie Ordentlichkeit, Fleiß und Bürgersinn zu tun hat, wenn man die Politik, die vor den Märkten buckelt, als „alternativlos“ hinstellt, kann wohl nur die Kanzlerin beantworten. Dem setzen die linken Parteien den ungebrochenen Glauben entgegen, dass der Staat, die Politik und die Demokratie, mächtiger sind und mächtiger bleiben müssen als die Märkte.

Das große Thema im Wahlkampf 2013 wird Gerechtigkeit sein. Das ist offenkundig das Ziel der SPD. Aber wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie ein Schattengebilde, das niemand so recht greifen kann, die Kontrolle über den politischen Prozess gewinnt. Nur wenn wir offen ansprechen und aufdecken, was gerade geschieht, können wir diese Entwicklung umkehren. Das geht aber nur wenn wir diese Regierung abwählen. Die Macht der Märkte muss gebrochen werden, bevor sie die Macht der Demokratie bricht. Sozialdemokraten kämpfen seit 150 Jahren für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie. Das sollten sie auch jetzt tun.

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